Chancen, Nutzen und Risiken von Verbänden im e-Sports

Timo Schöber hat sich erneut Zeit genommen, für Gaming-Grounds.de einen ausführlich recherchierten und umfangreichen Beitrag zu erstellen. Als Consultant veröffentlichte er bereits mehrere Publikationen zum Thema eSports und ist derzeit weiterhin als Head of Esportionary.net sowie Pressesprecher des eSports Nord e.V. aktiv. Zu seinen Veröffentlichungen zählt auch das Buch „Bildschirm-Athleten: Das Phänomen e-Sports“. Im heutigen Artikel nimmt er sich umfassend dem Thema „Chancen, Nutzen und Risiken von Verbänden im e-Sports“ an. Viel Spaß beim Lesen!


Verbände sind im e-Sports schon sehr häufig entstanden, einige konnten sich etablieren, die meisten sind wieder verschwunden. In Deutschland ist im Jahre 2017 der eSport-Bund Deutschland (ESBD) gegründet worden. Auf europäischer Ebene soll ebenfalls die Gründung eines Verbandes erfolgen, auf die sich im April dieses Jahres insgesamt zwölf nationale Verbände, darunter der ESBD, verständigt haben.

Was oft auf der Strecke bleibt und nur bedingt hinterfragt wird: Braucht der e-Sports Verbände – und wenn ja, in welcher Form und in welchem Umfang? Welche Risiken gilt es zu beachten? Welche Rolle haben Verbände in der Vergangenheit gespielt? Wie sieht ihre Zukunft aus?

Ein Blick zurück

In der Geschichte des e-Sports‘ sind bereits häufig Verbände oder verbandsähnliche Strukturen entstanden. Die G7 der damals sieben wichtigsten Clans zum Beispiel, die International eSport Federation (IeSF) oder in der jüngeren Vergangenheit viele nationale Verbände, etwa in Ungarn, Belgien, Russland, Schweden oder eben Deutschland.

Herausragend für den e-Sports insgesamt, vor allem aber für Südkorea, war die Gründung der Korean e-Sports Association (KeSPA) im Jahre 2000. Während Verbände in anderen Ländern bis heute mit ihrer Relevanz für den e-Sports zu kämpfen haben, konnte die KeSPA nachhaltige, durchschlagende und über Südkorea hinaus strahlende Erfolge erzielen.

Durch die enge Zusammenarbeit der KeSPA mit der Politik und die von vorneherein gemeinsame Suche nach Lösungen, konnte der Verband bereits früh neue Standards setzen. Die Gründung erfolgte mit Genehmigung des Ministeriums für Kultur, Sport und Tourismus, sodass der Verband von Beginn an auf eine breite Unterstützung von politischer und gesellschaftlicher Seite setzen konnte.

Die KeSPA hat dabei unterschiedliche Standards etabliert, die bis heute als Referenz zu werten sind. Hierunter fallen feste Gehälter für Spieler, die sichere Zahlung von Preisgeldern und transparente Strukturen bei Wettbewerben. Das war und ist nur möglich, weil der Verband in offizielle Strukturen eingebunden ist. Darüber hinaus arbeitet der Verband, mit wenigen Ausnahmen, seit Jahrzehnten ununterbrochen mit Publishern zusammen, um Spiele, Wettbewerbe und Abläufe kontinuierlich zu optimieren und aufeinander abzustimmen. Ebenso ist der Verband Mitglied im Korean Olympic Committee. Insofern kann die KeSPA bis heute als herausragendes Verbandsbeispiel gewertet werden.

Nationale Verbände

Auf nationaler Ebene außerhalb Südkoreas existiert inzwischen eine breite Verbandslandschaft. Man darf aber nicht dem Trugschluss unterliegen, dass diese an den Einfluss, die Größe und die Stärke einer KeSPA heranreichen würden. Vielmehr haben sich die Verbände als oberstes aller Ziele auf die Fahnen geschrieben, dass e-Sports als Sport anerkannt und somit gefördert werden sollte.

Dieses Ziel ist vor allem für den Breitensport wichtig, denn nicht zuletzt aus steuerlichen, gesellschaftlichen und rechtlichen Aspekten würde eine Anerkennung mit vielen Vorteilen einhergehen. Wenn man also das übergeordnete Ziel des ESBD betrachtet, dann wäre dieses im Ergebnis vor allem für Amateure und Breitensportler sehr lobenswert.

Für den Profisport wäre eine Anerkennung als Sport zwar ebenfalls vorteilhaft, etwa bei Sportvisa, aber nicht im gleichen Umfang und der gleichen Einschlagwirkung wie beim Breitensport. Die Profiszene ist in Deutschland über Jahrzehnte gewachsen – und zwar ohne, dass ein Verband notwendig gewesen wäre. Insofern stellen sich professionelle Organisationen die berechtigte Frage: Warum brauchen wir das? Das erkennt man auch daran, dass die drei wichtigsten deutschen Clans, namentlich SK Gaming, PENTA Sports und mousesports, nicht Mitglieder des ESBD sind.

Vielleicht muss man dem ESBD aber auch noch etwas mehr Zeit geben, um sich weiter in die Szene und seine Aufgaben einzuarbeiten.

Die Rolle von Veranstaltern

Mit der Electronic Sports League (ESL) verfügt Deutschland über eine herausragende Liga und einen Veranstalter von Wettbewerben, der weltweit seinesgleichen sucht. Nicht nur historisch betrachtet, die ESL ist die älteste sich in Betrieb befindliche Liga der Welt, sondern auch gegenwärtig hat die ESL das Alleinstellungsmerkmal, sogar noch vor der DreamHack und Major League Gaming das wichtigste Veranstaltungs- und Wettbewerbsunternehmen der Welt zu sein.

Indirekt fungiert die ESL auch als Verband – und das sehr erfolgreich. Sie übernimmt Aufgaben der Interessenvertretung, des politischen Diskurses, der Öffentlichkeitsarbeit und der Aufklärung zum Thema e-Sports. Das macht die ESL seit nunmehr fast zwanzig Jahren, ganz ohne einen gesonderten Verband.

Es stellt sich erneut die Frage, gerade für den Profisport: Warum brauchen wir einen Verband?

Im Übrigen ist die ESL selbst Mitglied des ESBD, meinen Informationen nach aber ohne sich großartig in diesem einzubringen. Warum auch? Die ESL leistet wie bereits geschrieben ganz eigenständig hervorragende Arbeit.

Sport oder kein Sport?

Des Pudels Kern für die Verbandsarbeit in Deutschland ist, dass e-Sports als Sport anerkannt wird.

Rein definitionsgemäß ist e-Sports als Sport zu werten. Das betrifft zum einen körperliche Aspekte, wie etwa bis zu 400 asynchrone Aktionen pro Minuten, die Herzfrequenz oder den Stresshormonspiegel. Andererseits gilt dies auch im Generellen, man denke an feste Regeln, Fairplay, die Turnieratmosphäre oder geregelte Trainingszeiten.

Demgegenüber steht die Haltung des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), der sich klar gegen den e-Sports als Sport positioniert hat. Inzwischen versucht er anhand einer inhaltlich schlechten, subjektiven Ausdifferenzierung von „e-Sports“ und „eGaming“ diese Haltung zumindest gegenüber den Sportsimulationen aufzuweichen, dennoch zeigt nicht zuletzt diese Unterscheidung, dass der DOSB e-Sports nicht verstanden hat. Denn e-Sports ist Sport, weil er selbst sportlichen Ansprüchen (s.o.) genügt und nicht, weil er Sportspiele auf dem Bildschirm darstellt.

Der ESBD sieht sich hier als Verhandlungspartner des DOSB und möchte neben diesem gleichberechtigt am Diskurs partizipieren, diesen gar lenken. Das bedeutet konkret in Zahlen, dass ein e-Sports Verband, der von weiten Teilen der Profiszene nicht als solcher anerkannt ist, seit nicht einmal zwei Jahren existiert und „nur“ dreißig Mitgliedsorganisationen hat, mit einem Verband auf Augenhöhe verhandeln möchte, der im Fundament seit siebzig Jahren existiert (Zusammenschluss/Neugründung 2006), knapp 90.000 Vereine unter sich bündelt und rund 24.000 aktive Mitglieder hat. Bei aller Sympathie für den e-Sports und meinem unmissverständlichen Bekenntnis für den e-Sports als Sport: Zu meinen, dass ein ESBD gleichberechtigt mit einem DOSB verhandeln könnte, ist kein Selbstbewusstsein, sondern eine Überhöhung der eigenen Kompetenzen, Tragweite und Relevanz von Seiten des Verbandes.

So wichtig die Sportfrage für den e-Sports auf politischer und gesellschaftlicher Ebene auch sein mag, es darf nicht vergessen werden, dass eine umfassende Einbindung des elektronischen Sports in die deutsche Sportlandschaft nur erfolgen kann, wenn der DOSB e-Sports als Sport wahrnimmt und anerkennt. Gegenwärtig krankt es hierfür vor allem an zwei Fronten: Zum einen fehlt ein gewichtiger Gegenpart, zum anderen kommen von politischer Seite zu wenig Impulse. Wenn Letztere dann doch einmal geäußert werden, dann werden diese auf Druck von Seiten des klassischen Sports häufig leider wieder relativiert (Vgl. Daniel Günther, 2019).

Wie kann man die Ausgangsfrage („Braucht der e-Sports Verbände?“) also beantworten? Mit einem klaren jein. Dass e-Sports Sport ist steht außer Frage. Allerdings hat dies keinen praktischen Nutzen, solange e-Sports nicht auch als Sport wahrgenommen wird, vor allem durch den DOSB und die Politik. Selbst objektivierende Untersuchungen der Sporthochschule Köln, die umfassend und dezidiert aufzeigen, dass e-Sports sportlichen Ansprüchen genügt, vermochten dies bisher nicht zu ändern. Länder wie Schweden, Italien oder Frankreich zeigen aber, dass eine positive Veränderung auch unter Mitwirkung von Verbänden in Europa möglich ist.

Sieg bedarf keiner Erklärung, Niederlage erlaubt keine

Der Titel dieses Abschnitts stammt aus der berühmten Tactica Imperialis. Auf den ESBD gemünzt bedeutet er, dass der Verband sich schlussendlich bei der Existenzfrage nur und ausschließlich durch Erfolg messen lassen kann.

Kernziel des ESBD war stets, dass e-Sports als Sport anerkannt und gefördert werden soll. Ein Ziel, von dem der junge Sport gefühlt in Deutschland genauso weit weg ist wie vor der Gründung des Verbandes. So stand e-Sports zwar im aktuellen Koalitionsvertrag auf Bundesebene, dies wurde von Seiten aller Parteien, die daran beteiligt gewesen sind, aber nach und nach wieder zurückgenommen.

Die Arbeit der vielen Ehrenamtlichen, die im Verband organisiert sind, möchte ich an dieser Stelle auch gar nicht schmälern. Ich bin der festen Überzeugung, dass vor allem die Arbeit regionaler und lokaler e-Sports Vereine den Breitensport sehr, sehr weit vorangebracht hat, vor allem hinsichtlich der praktischen Anwendung sowie der Aufklärung in der Gesellschaft. Aber die übergeordnete Instanz „ESBD“ muss sich die Frage gefallen lassen, wozu der e-Sports ihn braucht, wenn er sein Hauptziel, des Pudels Kern, nach wie vor nicht erreicht hat.

Die andere Seite der Medaille sind Teilerfolge, etwa das sich in Planung befindliche Landeszentrum in Kiel, die sehr erfreulich und positiv zu bewerten sind. Aber auch hier die Frage: Wäre das nicht auch ohne Verband gegangen, nämlich mit ehrenamtlich Engagierten und der Vereinsstruktur auf Landesebene?

Schlechte Vorbilder

Gerade durch den Fußball kann man viel über den Sport im Allgemeinen lernen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB), die Union of European Football Associations (UEFA) und die Fédération Internationale de Football Association (FIFA) fungieren hier als nationaler, europäischer beziehungsweise globaler Verband.

Über die Skandale und Auswüchse, die Korruption und die vielen negativen Schlagzeilen, die diese Verbände in den letzten Jahrzehnten produziert haben, muss ich mich an dieser Stelle nicht auslassen. Vieles dürfte den Lesern dieses Artikels ohnehin bekannt sein. Gleichzeitig vereinen diese Verbände eine enorme Machtfülle auf sich, es fließen erhebliche Geldströme und ganze Turnierserien werden gefühlt in Hinterzimmern verhandelt.

Insofern sollte man langfristig überlegen, welche Rolle Verbände zukünftig im e-Sports spielen sollen. Einen DFB, eine UEFA oder eine FIFA braucht im e-Sports kein Mensch. Im Gegenteil: Solche Konstrukte würden mehr schaden als nutzen. Andererseits können Verbände auch nützlich sein, wenn man sich etwa die KeSPA anschaut. Hier gilt es genau abzuwägen und durch dritte, überwachende Instanzen eine transparente und ganzheitliche Verbandsstruktur zu etablieren.

Das „System e-Sports“

Das ökonomische System des e-Sports‘ funktioniert an vielen Stellen anders als der klassische Sport. Der eindringlichste Unterschied sind die Publisher, die Hersteller von Spielen, die die Rechte an diesen halten und im Zweifel über das Für und Wider von Veranstaltern, Clans, Organisationen und auch Verbänden entscheiden. Neben einer ESL könnten auch Publisher viele Aufgaben von Verbänden wahrnehmen – und gerade in den USA machen sie dies auch. Man denke etwa an die Overwatch League, die in allen Aspekten in der Hand vom Spielehersteller Blizzard Entertainment liegt.

Der e-Sports funktioniert aber auch anders, weil die jeweiligen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Marktteilnehmern sich teilweise immens vom klassischen Sport unterscheiden. Während eine Deutsche Fußball Liga (DFL) als Veranstalter von der Bundesliga zwar wichtig ist, aber vergleichsweise wenig Macht in den Händen hält, ist der Big Player des deutschen Fußballs der DFB. Im e-Sports ist es genau umgekehrt. Wichtig sind hier vor allem die Veranstalter, nicht die Verbände. Die einzige Ausnahme ist Südkorea (s.o.), wo die KeSPA beides vereint.

Darüber hinaus spielen auch Messen, Clans (Vereine), Fans und die verschiedenen Angebots- und Nachfragekonzepte im e-Sports wesentlich andere Rollen, als im klassischen Sport. Das ganze System an dieser Stelle zu entschlüsseln, würde den Rahmen sprengen, aber so viel sei gesagt: e-Sports und klassischer Sport unterscheiden sich in ihrer ökonomischen Systematik an sehr vielen Stellen.

Auch deshalb sollte die Rolle von Verbänden in Relation zu ihren Pendants aus dem klassischen Sport hinterfragt werden. Der e-Sports funktioniert insgesamt häufig sehr anders als der klassische Sport. Nicht nur im Profibereich, sondern auch im Hinblick auf Breitensport-Angebote.

Ein Blick über den e-Sports Tellerrand hinaus – inklusive Geschäftsmodellen

Anfang des Jahres 2018 haben sich die Organisationen „BIU – Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware“ und „GAME – Bundesverband der deutschen Games-Branche“ zum „game – Verband der deutschen Games-Branche e. V.“ (game) zusammengeschlossen. Diese Fusion von zwei eher mittelstarken Verbänden hin zu einem sehr starken Verband kann für viele andere Bereiche als positives Vorbild gesehen werden – auch für den e-Sports.

Der game ist in vielen Geschäftsfeldern unterwegs und engagiert sie sich auf breiter Front für die Videospielbranche in Deutschland. Zu seinen Hauptaufgaben gehören die Interessenvertretung von zum Beispiel Publishern und Spieleentwicklern, die Forcierung der Forschung im Bereich der Videospiele inklusive enger Kooperationen mit Hochschulen und die Ausrichtung einer der weltweit wichtigsten Spielemessen – der gamescom. Letztgenannte ist nicht nur relevant als effektives und großartiges Instrument, um die Aufgaben des Verbandes besser wahrnehmen zu können, sondern auch zum Zwecke der Monetarisierung von immenser Wichtigkeit. Auch ein Verband muss Geld verdienen, um die eigenen Aufgaben wahrnehmen zu können und die eigenen Ziele voranzutreiben. So hatte ebenfalls die südkoreanische KeSPA bereits frühzeitig erkannt, dass funktionierende Geschäftsmodelle für eine nachhaltige und wahrnehmbare Verbandsarbeit äußerst relevant sind. Sie finanziert sich etwa durch Veranstaltungen, den Verkauf von Übertragungsrechten und durch Kooperationen mit Unternehmen auf der ganzen Welt.

Ein durchdachtes Geschäftsmodell fehlt mir beim ESBD. Ich sehe nicht, wie eine umfassende Monetarisierung der Verbandsarbeit auf Basis des Vorhandenen erfolgen könnte. Kleinere Versuche, wie die ESBD-Trainerausbildung, gehen nicht nur im Hinblick auf die Generierung von Einnahmen nicht weit genug, sondern sie gehen mir bezüglich der Sinnbildung beim ESBD insgesamt nicht weit genug.

Wenn man betrachtet, was der game inzwischen alles leistet, dann sieht man, wo die Reise eines deutschen e-Sports Verbandes hinführen sollte, wenn er gut umgesetzt worden wäre. Der game hat eine funktionierende, hauseigene Stiftung, er richtet den Deutschen Computerspielpreis aus, er gehört zum USK-Team und auch im e-Sports geht er mit größeren Schritten voran, als es der eigentlich dafür zuständige Verband ESBD tun würde. Das reicht von Konzepten zum gewerblichen Spielrecht, über die Arbeit zur sportlichen Anerkennung und die Finanzierung von Forschungsprojekten, bis hin zur umfassenden Unterstützung lokaler Vereine.

Auch die Mitgliederstruktur ist beim game anders als beim ESBD. Alle relevanten Größen der Spielebranche sind Mitglied beim game: Ubisoft, Valve, Riot, Activision Blizzard, Bigpoint, EA um nur ein paar zu nennen. Aber auch kleine Mitglieder haben ihren Platz. Der game versteht es große und kleine Unternehmen und Träger sinnvoll unter einem Dach zu vereinen. Auch dieser gegenseitige Nutzen ist beim ESBD nicht ausreichend ausgeprägt, ganz davon ab, dass viele der deutschen e-Sports Größen nicht in ihm organisiert sind.

An dieser Stelle könnte man fragen: Warum übernimmt nicht der game zusätzlich die Aufgaben eines e-Sports Dachverbandes? Die Kompetenzen, das Netzwerk, die Reichweite, das politische Gewicht, die Geschäftsmodelle und eine breite Akzeptanz im e-Sports hätte er.

Die Glaskugel

Ob und in welchem Umfang Verbände in Deutschland, Europa und der Welt zukünftig eine Rolle spielen werden, bleibt abzuwarten. Gerade die Rollen von Publishern und Veranstaltern bilden gegenwärtig aber viele Aufgaben und Erfordernisse ab, die in anderen Sportarten einem Verband zufallen würden. Wenn man sich, abseits einer politischen Anerkennung, die Entwicklung des e-Sports‘ in Deutschland innerhalb der letzten Jahre anschaut, dann machen gerade Unternehmen wie die ESL ihre Sache ausgesprochen gut. Gleichzeitig arbeiten regionale Breitensport-Vereine massiv daran, dass sich das Bild des e-Sports‘ an der Basis der Gesellschaft, in Stadtverwaltungen, in Jugendringen und bei Landessportverbänden nachhaltig immer mehr zum Positiven wandelt – und das mit nennenswerten Erfolgen.

Ich persönlich glaube, dass ein Verband eine gute Sache ist, wenn er ausschließlich auf politischer Ebene daran arbeitet, den e-Sports insgesamt voranzubringen und gleichzeitig Projekte wie das Landeszentrum in Kiel anstößt. Dabei ist aber einerseits wichtig, dass sich der Verband ausschließlich aus Leuten zusammensetzt, die selbst seit Jahrzehnten mit viel Leidenschaft im Markt sind, andererseits denke ich, dass es für einen Bundesverband noch zu früh sein könnte. Von politischer Ebene, mit Ausnahme der Grünen und der FDP, als auch von vielen klassischen Sportverbänden und dem Großteil der Bevölkerung wird e-Sports (zu Unrecht) nicht als Sport gesehen. Die letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass auch ein e-Sports Verband dies nicht zu ändern vermag, zumal dieser selbst in der e-Sports Szene sehr umstritten ist.

Vielleicht ändert sich die Relevanz eines Verbandes im deutschen e-Sports in den nächsten fünf Jahren, wenn sich die gesellschaftliche und politische Wahrnehmung des Sports durch den Profibereich, die Forschung zum e-Sports und die ehrenamtliche Arbeit von Breitensportlern weiter verbessert hat. Wenn, dann muss so ein Verband aber auf eine breite Basis innerhalb der Szene zurückgreifen können. Die komplette Führung muss sich aus e-Sportlern zusammensetzen, die selbst viele Jahre Erfahrung als Spieler, Manager oder Funktionäre haben. Leidenschaft und Herzblut sind hier wichtig, keine politischen Sprungbretter. Das ist nicht nur deshalb bedeutend, damit der e-Sports entsprechend eifrig von denjenigen vorangetrieben wird, sondern es ist vor allem für die Glaubwürdigkeit innerhalb der Szene von immenser Wichtigkeit.

Fazit

Die KeSPA hat gezeigt, dass Verbände im e-Sports funktionieren können, wenn sie richtig aufgezogen werden. Das hat in dem konkreten Fall aber auch kulturelle Gründe, denn Videospiele insgesamt haben gerade im südost- und ostasiatischen Raum (noch) einen ganz anderen Stellenwert als in Mitteleuropa.

Auch der ESBD hat ein paar gute Ansätze, zum Beispiel mit dem Plan zur Schaffung von Landeszentren. Hier kann ich aus Kiel berichten, dass sogar die Bereitschaft bei Mitgliedern des ESBD besteht, extra für eine solche Einrichtung die eigene Heimat zu verlassen und nach Kiel zu ziehen. Das ist anerkennenswert. Insgesamt fehlt dem ESBD innerhalb der Szene aber der nötige Rückhalt, was der Verband maßgeblich selbst mitzuverantworten hat, und schlussendlich muss sich der ESBD am praktischen Erfolg bei seinem Kernziel messen lassen, der bisher ausgeblieben ist.

Abzuwarten bleibt, was die Zukunft bringt. Dem Team rund um das Landeszentrum in Kiel drücke ich die Daumen, weil ich weiß mit wie viel Aufwand und Zeit dort zu Werke gegangen wird. Auf Bundesebene würde ich mir Veränderungen im ESBD wünschen, die den von mir geschilderten Problemlagen Herr werden. Einen Verband wie den DFB, die UEFA oder die FIFA möchte ich aber unter keinen Umständen im e-Sports, sehe aber auch keine Notwendigkeit dafür, weil die ESL und andere hervorragende Arbeit leisten.


Disclaimer: Der gesamte Beitrag bildet zu 100 Prozent die persönlichen Meinungen und Ansichten von Gastautor Timo Schöber ab und muss nicht zwingend mit der Position der gesamten Gaming-Grounds.de Redaktion übereinstimmen.

Irrtümer vorbehalten. Dieser Beitrag bezieht sich nicht auf einzelne Personen, sondern auf die entsprechenden Organisationen.

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Timo Schöber
Timo Schöberhttp://www.timoschoeber.com/
Timo Schöber ist Autor, Wissenschaftler und Hochschuldozent. Er ist Leiter der Denkfabrik Esportionary sowie als Berater unter anderem für Skillshot Consulting tätig. Er engagiert sich ehrenamtlich für den eSports Nord e.V.
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