Corona: Eine Herausforderung für die Fighting Game Community

Wir freuen uns mit Jan ‚SinJul‘ Openkowski einen weiteren Gastautor auf Gaming-Grounds.de begrüßen und einen Artikel von ihm publizieren zu dürfen. Bevor wir zu seinem Beitrag „Coronavirus – Auch eine Herausforderung für die Fighting Game Community“ eingehen, stellt sich Jan zunächst kurz selbst vor:

„Hey, freut mich, dass du Interesse an Fighting Games hast! Bevor wir zum Thema kommen, ein paar kurze Worte zu mir: Mein Name ist Jan, auch bekannt als SinJul. Ich bin seit 2006 in der deutschen Fighting Game Community (FGC) aktiv und repräsentierte 2019 Deutschland bei der Neo Geo World Tour im Spiel King of Fighters 98. Im Jahr 2010 startete ich das Communityevent „Hessen Crash“, das zweimal im Jahr stattfindet, und stecke aktuell all meine Energie in das Eventprojekt „2BeCommUnity“.“


Wir schreiben das Jahr 2019. Man fährt mit drei weiteren Spielern zu einem Turnier, gibt seinen Freunden die Hand oder umarmt sich, man sammelt sich um einen Monitor und schaut anderen beim Spielen zu, leiht sich möglicherweise den Arcade Stick eines anderen Spielers und setzt sich neben seinen Gegner. Es wird geredet, gelacht und gejubelt. Am Ende fährt man Heim und freut sich auf das nächste Turnier, bei dem man seine Freunde treffen wird. Bis dahin trainiert man online und offline in kleinen Gruppen.

So sah es 2019 in der FGC aus. Doch dann kam 2020 und das Coronavirus.

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So sah es noch 2019 aus. Wie wird es 2021? Quelle: HardEdge.org

Der weltweite Veranstaltungskahlschlag

Als das Coronavirus sich im März 2020 auch in Europa und Nordamerika verbreitet und die Fallzahlen dramatisch steigen, werden in fast allen Ländern Kontakt- oder Ausgangssperren eingeführt.

Damit hatte wirklich niemand gerechnet und ein Alptraum für alle Beteiligten wird nun Realität: Weltmeisterschaften der Spieleentwickler werden abgesagt, Turnierorganisatoren müssen ihre Veranstaltungen entweder verschieben oder komplett absagen und lokale Treffpunkte wie Videospielhallen in Japan oder Dojos in Deutschland, zum Beispiel das Insert Game oder MadGear FFM, müssen ihre Tore schließen und stehen ohne Besucher und Einkünfte da.

Alles muss raus: Seit März gibt es keine Turniere mehr:

List of Updates & Releases for Fighting Games, FGC Tournaments and COVID19. Update 05.17.2020

Add info about EVO Online, CPT Online, VSFighting, NGU pic.twitter.com/184Xx1XnOC

— Genickus (@genickus) May 17, 2020

Die Situation trifft Fighting Games im Vergleich zu anderen E-Sportspielen am härtesten, denn eigentlich finden große Turniere weltweit offline statt und man nutzt das Onlinespielen eher zum Training, als zum kompetitiven Spielen. Jetzt ist alles zu, große Veranstaltungen sind verboten und auch offline spielen ist wegen den Kontaktsperren nicht mehr möglich. Also was tun?

Für 2020: Online muss Offline ersetzen

Der einzige Weg Turniere während der Coronapandemie anzubieten: Online. Eine ganz neue Situation für Fighting Game Turnierorganisatoren und Spieler, da der Fokus seit den Anfängen in den 1990er Jahren eigentlich immer auf Offlineturnieren in Videospielhallen oder Veranstaltungsräumen lag. Hier wurde man von der neuen Situation also überrumpelt und Turnierorganisatoren müssen sich entscheiden, ob sie Onlineturniere anbieten oder das Jahr 2020 komplett abschreiben und auf eine Rückkehr zur vorherigen Normalität hoffen.

Wer sich für Onlineturniere entscheidet, muss sich jetzt komplett neuen Herausforderungen stellen: Welches Spiel hat einen guten Netcode, so dass man es als Turnier online spielen kann? Auf welcher Plattform trage ich das Turnier aus? Wie sorge ich dafür, dass die Teilnehmer eine gute Verbindung zueinander haben? Und wie übertrage ich das Turnier überhaupt?

Aktuell sieht es so aus, dass sich die Spielauswahl vermehrt auf Spiele mit „Rollback“-Netcode konzentrieren und weg von „Delay“-Netcode bewegen wird. Internationale Teilnehmer, die sonst aus der ganzen Welt nach Europa reisen, um an einem Turnier teilzunehmen, wird es durch die Regionbeschränkung nicht geben. Europäer, Amerikaner und andere Regionen spielen unter sich, da es sonst zu stark lagt und die Begegnungen unspielbar sind.

Was der Unterschied zwischen den Netcodes ist erfährst du hier:

Doch manche trauen es sich auch international zu. Die amerikanische Turnierserie „Evolution“, die aktuell die größte der Welt ist, z.B. macht offene Onlineturniere nur für Mortal Kombat 11, Skullgirls, Them‘s Fightin‘ Herds und Killer Instinct. Alle vier Spiele waren nicht in der ursprünglichen Offline-Spielauswahl dabei und die für das Offlineturnier geplanten Spiele erhalten nur Showmatches. Seit dieser Ankündigung sind die Spielerzahlen für die genannten Spiele um 50 bis 200 Prozent gestiegen und man sieht, welche Auswirkungen die Spielauswahl von Turnieren auch auf die Spieler hat (Quelle: Steamcharts.com).

Bei den Spieleentwicklern hat zum aktuellen Zeitpunkt nur Capcom reagiert und die Capcom Pro Tour auf Onlinequalifikationsturniere mit einem Finale offline im Frühjahr 2021 umgestellt. Dafür musste das Turniersystem stark verändert werden: Statt weltweit verteilten Turnieren, bei denen man Punkte sammelt, gibt es jetzt regionale Onlinequalifikationsturniere. Eine Begegnung zwischen europäischen und japanischen Spielern wird also erst beim Finale wieder möglich sein. Außerdem wurde das Finale von Paris in die USA verlegt.

Schade für die europäischen Turnierorganisatoren und Fans, die dadurch keine Aufmerksamkeit für ihre Veranstaltungen und kein Weltmeisterschaftsfinale auf ihrem Kontinent haben werden. Dabei sind gerade diese Veranstaltungen so wichtig für das Wachstum der lokalen Communitys. Also 2020 offline erst einmal für Entwickler, Turnierorganisatoren und Spieler, außerhalb des privaten Bereichs, abgehakt. Und wie schaut‘s mit 2021 aus?

2021 wieder alles wie früher?

Das dürfte die wahrscheinlich wichtigste Frage für Fighting Game Spieler und Organisatoren sein. Aktuell wird in Deutschland nicht davon ausgegangen, dass im nächsten Jahr wieder alles wie vor der Coronakrise stattfinden darf. Laut Aussagen verschiedener Veranstaltungshallen in Hessen, die ich auf Anfrage erhalten habe, wird auch 2021 ein Hygienekonzept notwendig sein. Wenn weiterhin eine Abstandsregelung, wie die aktuelle Regelung von 1,5 Meter Abstand zu anderen Personen, notwendig ist, wird es nicht mehr möglich sein neben dem anderen Spieler zu sitzen.

Das würde zur Folge haben, dass man als Veranstaltungsorganisator den Einlass und die Gesamtzahl der Spieler streng regulieren und für alle Spieler ein „Versus-Setup“ stellen müsste. Mit einem Versus-Setup ist gemeint, dass zwei Spieler nicht nebeneinander an einem Monitor, sondern sich jeweils an einem eigenen Monitor gegenübersitzen. Die zusätzliche Belastung für Organisatoren wäre enorm: Ein größerer Raum bei gleichbleibender Besucherzahl muss her, die Monitoranzahl verdoppelt sich, ein HDMI-Splitter, ein Kopfhörerverstärker und zwei Kopfhörer statt Lautsprecher pro Konsole und natürlich die passenden Kabel und Mehrfachsteckdosen sind notwendig. Es muss ja auch alles verkabelt und mit Strom versorgt werden. Die Elektronik wird auf ungefähr 210 Euro extra pro Spielstation hinauslaufen.

Auch die ersten Rückmeldungen von Seiten der Spieler ist geteilt. Auf der einen Seite würde die Etablierung von Versus-Setups die Turnierqualität erhöhen, jedoch würden die Turniere auch ihr typisches FGC-Flair verlieren. Für viele Spieler macht die Nähe zum Gegner und die Interaktion miteinander das Genre aus. Das würde mit den Abstandsregelungen nicht mehr möglich sein.

Ob alle Turniere wieder wie in 2019 stattfinden werden, wird also davon abhängen welche Gesetze und Vorschriften die Regierungen weltweit verabschieden werden. Wenn man 2021 dafür sorgen muss, dass Hygienevorschriften eingehalten werden, gehe ich davon aus, dass nicht alle Veranstaltungen zurückkehren werden. Besonders kleinere Veranstaltungen werden aufgrund der zusätzlichen finanziellen Belastung durch eine höhere Raummiete vermutlich nicht mehr stattfinden.

Zwei Optionen

Sollte es sich so bewahrheiten, dann werden diese wahrscheinlich nur noch online stattfinden. Für große Turniere gibt es zwei Optionen:

1. Onlinequalifikation mit anschließend kleinerem Finale, bei dem Zuschauer erlaubt sind, so wie es Capcom plant.
2. Noch größere Veranstaltungshallen mieten, Eintrittsgelder erhöhen und sich mehr auf Umsatz ausrichten. Besonders private Organisatoren müssten sich hier also professionalisieren.

Generell bin ich guter Dinge, dass sich die Community den am Ende herrschenden Umständen anpassen wird. Die äußeren Gegebenheiten werden anders sein, aber die Liebe zum Genre für die Spieler wird dadurch nicht verschwinden. Ich sehe schon, dass sich die Community verändert, der Situation anpasst und vermehrt online spielt. Doch die Lust darauf sich mit anderen auch offline zu messen wird nicht verschwinden, da es ein zentrales Element der FGC ist. Daher bin ich mir sicher, dass Fighting Game Turniere nach der Coronakrise gestärkt wieder zurückkommen werden!

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