Kolumne: Der Alltag eines Engagierten im Bereich e-Sports

Am heutigen Samstag äußert sich unser freier Autor Timo Schöber in einer umfassenden Kolumne zum Thema der ehrenamtlichen Arbeit im eSport und wie diese in der heutigen Gesellschaft oft wahrgenommen wird. Wie zeit­in­ten­siv auch das unentgeltliche Engagement in einem vergleichsweise neuen Bereich werden kann, erzählt er in „Der Alltag eines Engagierten im Bereich e-Sports“.

Die folgende Publikation ist dabei als subjektive Wahrnehmung und ein persönliches Statement von Timo Schöber zu betrachten. Dennoch spiegelt sie viele Aspekte wieder, in denen sich regelmäßig viele eSports-Enthusiasten wiederfinden dürften. Viel Spaß beim Lesen!


Außerhalb der e-Sports Szene kommt es sehr häufig vor, dass ich gefragt werde, was e-Sports eigentlich ist. Man kommt ins Gespräch, erklärt was man so gemacht hat und wie man sich derzeitig im e-Sports einbringt. Danach folgt dann in der Regel wenig später die Frage, ob man da denn wirklich viel Zeit reinstecken könnte, schließlich sei man ja kein Spieler mehr und daher seien Training und Vorbereitung auf Wettbewerbe nicht mehr wichtig.

Folgend möchte ich anhand meiner persönlichen Erfahrungen einmal aufzeigen, was ehrenamtliches und nebenberufliches Engagement im e-Sports bedeutet. Ich kenne sehr viele Menschen, die sich tagtäglich für den elektronischen Sport einsetzen und sehr viel ihrer Freizeit investieren, um das Thema voranzubringen. Daher ist es mir wichtig, vor allem stellvertretend für diese Menschen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen und eine Lanze zu brechen. Die Arbeit dieser Personen ist unermesslich wichtig für die Anerkennung, Förderung und gesellschaftliche Wahrnehmung unseres Hobbys.

Alltag und Aufgaben

Im Bereich der ehrenamtlichen Arbeit bin ich vor allem für den eSports Nord e.V. in Sachen e-Sports unterwegs. Der Verein arbeitet komplett ehrenamtlich und seine Satzung ist auf Gemeinnützigkeit ausgelegt. Ich habe dort viele tolle Menschen kennenlernen dürfen, von denen einige zu guten Kumpeln geworden sind. Die Vereinsaufgaben sind sehr vielfältig. Wir veranstalten Events, halten Vorträge, nehmen an Podiumsdiskussionen teil, unterstützen Organisationen wie Jugendringe bei der Ausrichtung von LAN-Partys, halten Elternabende ab und engagieren uns in den Bereichen Suchtprävention und der Vermittlung von Medienkompetenzen. Mein persönlicher Verantwortungsbereich ist darüber hinaus die Pressearbeit, das Texten und die politische Kommunikation. Andere Mitglieder fungieren als Vorsitzende, Schatzmeister, Eventmanager oder IT-Experten. Jeder hat seine Aufgabe und jede Aufgabe ist wichtig.

Darüber hinaus bin ich ehrenamtlich als Mitglied und Berater der Breitensportabteilung des TSV 1860 München tätig. Das ist ganz spannend, weil so eine Nord-Süd-Achse entsteht: Flensburg-München.

Ansonsten bin ich Mitglied im Kompetenz- und Planungsteam des Landeszentrums in Kiel (LEZ). Das LEZ soll als „Spinne im Netz“ in Schleswig-Holstein fungieren und den e-Sports landesweit erfahrbar machen. Auch der eSports Nord e.V. ist landesweit unterwegs, sogar bis nach Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern, sodass wir wissen, wie groß das Interesse am e-Sports mittlerweile ist – und zusätzliche Einrichtungen im Land zwischen den Meeren eine erfreuliche Sache sind.

Persönlich eine große Freude ist mir das Verfassen von Gastbeiträgen, die ich mittlerweile bei gut einem Dutzend Plattformen unterbringen durfte. Viele dieser Gastbeiträge stelle ich unentgeltlich zur Verfügung, um bestimmte Projekte, die ich gut finde, so direkt zu unterstützen. Insbesondere hat mir die Zusammenarbeit mit Gaming-Grounds sehr große Freude bereitet und ich bin stolz ein Teil des Projektes geworden zu sein.

Daneben fallen hier und dort weitere Aufgaben an, die aber nicht dauerhafte Aufmerksamkeit erfordern. Ich fungiere als Pressesprecher des Instituts für Ludologie (Spielforschung, Spielwissenschaften) in Berlin und unterstütze hier je nach Bedarf mit Pressemitteilungen. Darüber hinaus erreichen mich, inzwischen erfreulicherweise recht häufig, Anfragen von Studenten, die im Bereich e-Sports ihre Abschlussarbeiten schreiben möchten – entweder zur Befragung als Experte oder aber mit Bitte darum, dass ich Zweitprüfer sein möge.

Nebenberufliche Tätigkeiten

Im „echten“ Leben bin ich eigentlich Mitarbeiter der Personalabteilung von einem Maschinenbauunternehmen mit insgesamt circa 15.000 Mitarbeitern. Ich habe aber auch das Glück, mit dem e-Sports „nebenher“ etwas Geld verdienen zu können, auch, wenn Geld mir noch nie wichtig gewesen ist. Die Verdienstmöglichkeiten im e-Sports auch abseits der Spielerschaft sind inzwischen immens. Das zeigt, wie viel Aufmerksamkeit der e-Sports mittlerweile generiert. Ich bin zwar grundsätzlich ein rein intrinsisch motivierter Mensch, und zwar bei allem, was ich mache, aber trotzdem freut mich diese Entwicklung, weil sie zeigt, dass e-Sports groß geworden ist.

Wenn ich an den e-Sports als Nebenberuf denke, dann fällt mir da als Erstes mein Buch „Bildschirm-Athleten“ ein. Das Buch ist unheimlich gut angenommen worden und ich kann mich dafür bei allen Leserinnen und Lesern gar nicht genug bedanken.

Seit Mitte 2018 haben sich meine nebenberuflichen Aufgaben im e-Sports deutlich intensiviert. Gemeinsam mit Andreas Schaetzke habe ich Esportpedia gegründet, das als erste analoge e-Sports Enzyklopädie der Welt gesehen werden kann. Zwei Bücher sind bereits so gut wie fertig, zwei weitere Bücher sind konzipiert. Insgesamt sind für das über mehrere Jahre angelegte Projekt rund zwanzig Bücher geplant. Auch bei Esportpedia durfte ich viele tolle Menschen kennenlernen, mit denen wir für das Projekt zusammenarbeiten, beispielsweise Prof. Dr. Sonja Klose von der FOM Berlin.

Im wissenschaftlichen Bereich arbeite ich als akademischer Mitarbeiter der Europa-Universität Viadrina sowie als Leiter von Esportionary.net, einer Denkfabrik mit einem Fokus auf e-Sports Fragestellungen. Im Rahmen meiner universitären Stelle freue ich mich auch, als Dozent eines e-Sports Masterkurses tätig sein zu dürfen.

Darüber hinaus bin ich als Berater für Unternehmen und Organisationen tätig, die Fragen zum Thema e-Sports haben. Über viele dieser Projekte darf ich nicht sprechen, aber es ist erstaunlich, wie viele große Unternehmen mittlerweile am Thema e-Sports interessiert sind. Für mich als leidenschaftlichen e-Sports Fan ist das großartig!

Entschleunigung

Vor einigen Tagen habe ich gemerkt, dass die Aufgaben im e-Sports insgesamt sehr viel geworden sind. Ich habe nun seit vielen Monaten spannende Aufgaben wahrnehmen dürfen, dabei aber vergessen, dass man auch mal Zeit für anderes haben muss. Eigentlich leite ich beispielsweise den Tabletopclub Caelesti. Nun musste ich feststellen, dass ich selbst seit einer gefühlten Ewigkeit keine Tabletop-Partie mehr gespielt habe – und früher habe ich mehrere Partien pro Woche absolviert.

Ferner ist auch die Forschung leider etwas kurz gekommen. Beim Thema Forschung ging es mir nie um die Erlangung eines Titels oder von viel Geld, sondern vielmehr um Erkenntnisse. Rückwirkend betrachtet ist hier in den letzten Monaten deutlich zu wenig Zeit hineingeflossen.

Daher habe ich mich vor wenigen Tagen dazu entschlossen, mein Engagement abseits der Forschung, sowohl ehrenamtliches als auch nebenberufliches, im e-Sports Bereich etwas zurückzufahren. 40 bis 50 Stunden pro Woche nur für den e-Sports sind zu viel. So gerne ich in dem Bereich auch unterwegs bin, ich möchte vor allem wieder mehr Zeit für meine Familie, Freunde und meinen Glauben haben.

Das bedeutet nicht, dass ich aufhöre im e-Sports tätig zu sein. Das könnte ich gar nicht, dafür liebe ich den elektronischen Sport viel zu sehr. Aber ich möchte nicht, dass sich diese Leidenschaft durch ein „zu viel“ irgendwann erschöpft, deshalb bremse ich nun an der ein oder anderen Stelle. Ich freue mich sehr auf die Zukunft, vor allem auch darauf, was aus Esportpedia wird, an dem ich nach wie vor sehr gerne arbeite. Außerdem auf ein bis zwei andere Projekte, die aber noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Ferner bin ich natürlich gespannt, wie sich unser Verein, der eSports Nord e.V. weiter entwickeln wird. Hier mache ich selbstverständlich auch weiter mit.

Danke!

Dieser Beitrag zeigt mich als Beispiel, weil ich mich halt am besten kenne. Ich kenne aber viele Menschen, die sehr engagiert für den e-Sports unterwegs sind. Bei all diesen Menschen, die aufrichtig für die Sache kämpfen, möchte ich mich für ihr Engagement und ihren Einsatz bedanken. Dieser Beitrag soll vor allem aufzeigen, was im e-Sports geleistet wird – und das oft abseits der vollen Hallen und Millionenpreisgelder.

Gemeinsam für den e-Sports. Ich danke euch!

Über Timo Schöber

Als Consultant veröffentlichte Timo Schöber bereits mehrere Publikationen zum Thema eSports und ist neben seiner neuen Position als freier Autor bei Gaming-Grounds.de derzeit weiterhin als Head of Esportionary.net sowie Pressesprecher des eSports Nord e.V. aktiv. Zu seinen Veröffentlichungen zählt auch das Buch „Bildschirm-Athleten: Das Phänomen e-Sports“.

Mehr von Timo Schöber:

Totgesagte leben länger – das RTS-Genre

Auch interessant:
Timo Schöber
Timo Schöberhttp://www.timoschoeber.com/
Timo Schöber ist Autor, Wissenschaftler und Hochschuldozent. Er ist Leiter der Denkfabrik Esportionary sowie als Berater unter anderem für Skillshot Consulting tätig. Er engagiert sich ehrenamtlich für den eSports Nord e.V.
- Werbung -spot_img

Letzte Artikel:

Besonders beliebt:

- Werbung -spot_img
StartArtikelKolumne: Der Alltag eines Engagierten im Bereich e-Sports
Cookie Consent mit Real Cookie Banner