Quake Nehahra Project: Interview mit Mod-Entwickler Mindcrime

Mein Name ist Alex. Hätte man mich Ende der 90er Jahre gefragt, welches mein Lieblingsspiel ist, dann hätte ich vermutlich „Quake“ geantwortet. Dies liegt nun weit über 20 Jahre zurück, fragt man mich heute, dann gehört der legendäre Egoshooter noch immer zu meinen All-time Favorites.

Besonders gefallen hat mir, dass man die Spiele damals viel mehr gelebt hat. Die Spielesammlung war kleiner und man hat sich dementsprechend länger mit einem Titel beschäftigt. So kam es auch, dass Quake eine belebte Community entwickelte, die sich selbst mit neuen Inhalten versorgte. Diese reichten von Maps, über Mods bis hin zu ganzen Conversions.

Quake Nehahra Project

Einer der ambitioniertesten Mods zu dieser Zeit war das Quake Nehahra Project, welches 2000 erschien. Dafür verantwortlich zeichnete sich Mindcrime Productions, ein Zusammenschluss von Community-Mitgliedern unter der kreativen Leitung von Mindcrime / J. Thaddeus Skubis. Rückblickend gesehen, ist der Pioniersgeist des Teams äußerst bewundernswert. Quake Nehahra ist ein großartiges Beispiel dafür, zu was die Community mit genug Ehrgeiz im Stande ist.

Are you J. Thaddeus Skubis?

Erst kürzlich haben wir einen Rückblick auf das Quake Nehahra Project veröffentlicht, eine ambitionierte Kampagne, die mit dem Machinima (Anm.d.Red.: gescripteter Film in Spiel-Engine) „The Seal of Nehahra“ einherging. Während der Recherche habe ich mich gefragt, wer eigentlich hinter dem Projekt steckt. Wer ist J. Thaddeus Skubis, wie heißt er wirklich und was ist aus ihm geworden?

Auch wenn wir alle etwas älter geworden sind, ist die Videospielbranche doch so jung, dass man viele der alten Veteranen noch als altgediente Silberrücken in der Branche auffinden kann. Doch wie verhält sich das bei Indie-Entwicklern, die zudem auch noch einen Künstlernamen verwendet haben? Da sieht die Sache schon etwas anders aus. Wir wollen nicht alle Tricks verraten, doch es kann gesagt werden: Es ist nicht einfach.

Nachdem ich eine Spur aufgenommen hatte, folgte eine E-Mail: „Are you J. Thaddeus Skubis?“ Daraus hervor ging ein spannendes Interview über die Entstehung von Quake Nahahra, die Macher hinter dem Projekt und über den damaligen Geist der Community. Hinter dem Namen J. Thaddeus Skubis verbirgt sich übrigens Jack Kincaid, der uns Rede und Antwort stand. Wir möchten euch das Ergebnis natürlich nicht vorenthalten. Viel Spaß beim Lesen!

Das Interview liegt auch in einer englischen Version vor – Quake Nehahra Interview (English version)


Quake Nehahra Interview

(übersetzt aus dem Englischen)

Alex: Hallo Jack, wir haben heute das Jahr 2021. Während die großen Spieleserien fleißig Jubiläen feiern, möchten wir uns gerne an einige der größten Community-Erfolge zurückerinnern. Vor rund 21 Jahren hast du einen legendären Mod für Quake 1 veröffentlicht unter dem Namen Nehahra.

Neben einwe spannenden Kampagne gab es zum Mod mit The Seal of Nehahra auch noch ein Machinima. In wenigen Sätzen, worum handelte es sich bei Nehahra und wie kam es zum Film? War der Film nur ein Nebenprodukt, welche Idee gab es zuerst?

Jack Kincaid Mindcrime
Jack Kincaid alias Mindcrime alias J. Thaddeus Skubis – Foto: privat

Jack: Nehahra war als Quake-Addon gedacht, das neue Episoden einführen sollte, die nicht nur das Quake-Einzelspieler-Erlebnis erweitern und verbessern, sondern auch die Geschichte von Quake ausbauen und ihr mehr Sinn verleihen sollten. In meinem Kopf drehte sich damals alles um Fantasy, also war die dunkle Fantasy-Richtung eine natürliche Anziehungskraft für mich. Die Cutscene-Sequenzen von Zerstörer – Testament of the Destroyer inspirierten mich dazu, mehr daraus zu machen. Ich hatte nicht die Absicht, daraus ein ausgedehntes Epos zu machen. Es hat klein angefangen und ist dann gewachsen. Wenn mich etwas in den Bann zieht, entwickeln sich die Prozesse schnell.

Alex: Du hast das Projekt damals als J. Thaddeus Skubis unter dem Namen Mindcrime Productions veröffentlicht. Mindcrime war wahrscheinlich dein Gamertag. Damals war das Internet noch viel anonymer und mystischer, ist das der Grund für die Entscheidung, einen Künstlernamen zu wählen?

Jack: Unter Pseudonymen zu arbeiten – sei es für kreative Arbeit oder anderweitig – war damals schon Teil meines Wesens. „Mindcrime“ war einer von vielen Internet-Handles, die ich benutzte. Mindcrime war für spielbezogene Programmierung und andere Dinge reserviert. Die Namen, die ich im Laufe der Jahre benutzt habe, sind zahlreich. Ein Teil des Grundes dafür war der Zwang, meine vielen verschiedenen Aspekte als Person aufzuteilen, in dem vielleicht fehlgeleiteten Bemühen, sie alle kohärent, kategorisiert und ordentlich zu halten. Alle Dinge ordentlich an ihrem jeweiligen Platz.

Lange Zeit war ich ein Idealist, der glauben wollte, dass die Qualität der Kunst, der Arbeit oder der Wert der Tat das Wichtigste sei. Ich hasste die Vorstellung, dass eine Marke oder ein Name darüber entscheidet, ob das damit verbundene Werk erfolgreich ist. Ich hasste diese Vorstellung sogar so sehr, dass ich sie widerlegen wollte. Es gab auch die Vorstellung, dass der Erfolg dem Spezialisten vorbehalten ist und nicht einem Multitalent, das seine Aufmerksamkeit auf mehrere Disziplinen verteilt. Es war ein Mittel, mich zu präsentieren und in verschiedenen Bereichen zu arbeiten, um ernst genommen zu werden. Heute erscheint das albern. Das ist bei vielen Dingen so. Die Zeit macht das.

Alex: Wo wir gerade bei Namen sind. Woher kommt der Name Nehahra und wie passt er zu Quake?

Jack: Ich war damals nicht nur auf einem Fantasy- und Lovecraft-Kick, sondern hatte auch ein Interesse an ägyptischen Legenden. Der Name Nehahra war der Name einer Schlange. Aus welchem Grund auch immer, der Name blieb in meinem Kopf hängen. Das alte Ägypten ist natürlich eine beliebte Anlaufstelle für Geschichtenerzähler, wenn es um solche Dinge und Epochen geht, in denen jenseitige Wesen, seien es Außerirdische oder ganze Dimensionen, mit den Menschen in Kontakt traten. Wahrscheinlich hatte ich zu der Zeit ein paar Partikel von Stargate im Kopf.

Alex: Als du damals Quake Nehahra veröffentlicht hast, gab es mittlerweile schon mit Quake 2 und Quake 3 Nachfolger zum 1996 erschienenen ersten Teil. Warum hast du dich entschlossen die Quake 1 Engine zu wählen?

Jack: Die ehrliche Antwort ist, dass ich eine Beziehung zu Quake als Einzelspielerspiel entwickelt hatte. Es wurde zu einem Freund für mich während einer ziemlich isolierten Zeit. Quake 2 schien diese Erfahrung hinter sich zu lassen, zugunsten eines generischen Bösewicht-Sci-Fi-Alien-Szenarios. Es hatte weder genug Wiedererkennungswert, noch war es anregend genug. Quake 3 ließ dann natürlich den Einzelspieler hinter sich und konzentrierte sich auf Deathmatch und die Präsentation der Spiel-Engine, die andere Spielefirmen lizenzieren konnten. Q2 fühlte sich für mich damals wie ein völlig anderes FPS an, und zwar in einem Maße, dass man ihm einen anderen Namen hätte geben können (und vielleicht auch sollen, das hätte dir früher vermutlich erzählt). Ohne die Verschmelzung der technischen und mittelalterlichen Fantasyelemente des Originals, ganz zu schweigen von den klassischen Bösewichten, empfand ich es nicht als eine richtige Fortsetzung. Es war ein Fremder, der dem Namen Quake den Glanz nahm und vieles von dem zurückließ, was für mich Quake ausmachte.

Alex: Mit Quake Nehahra haben Sie Videospielgeschichte geschrieben. Lange Zeit war The Seal of Nehahra der längste Machinima-Film. Als du dich damals an das Projekt gemacht hast wie alt warst du da? Erzähl doch ein bisschen über die Zeit damals und deine Verbindung zum Gaming und zur Modderszene.

Jack: Ich war in meinen 20ern und Nehahra begann in einer trüben Zeit, einem Zwischenraum, in dem ich mich existenziell von Zweck und Identität ausgeschlossen fühlte. Es war vielleicht die erste (von vielen Zeiten, die später im Leben kommen sollten), in der ich versuchte, meinem eigenen inneren und ziemlich gnadenlosen Drang zu entkommen, Dinge zu produzieren, zu schaffen und zu machen. Ich versuchte, mich zu entspannen. *lacht*

Lustige Sache.

Schon damals wurde ich bei jeder Freizeitbeschäftigung von den Stimmen in meinem Kopf gejagt, die mich beschimpften, weil ich nicht produktiv war und meine Zeit verschwendete. Quake zu spielen war mein erster Fluchtversuch. Ich habe mir eingeredet, dass es in Ordnung ist, ein Spiel zu spielen, nur um es zu spielen. Genießen. Entspannen. Ja, genau.

Es dauerte nicht lange, bis mich dieser Drang dazu brachte, es zu dekompilieren, Dinge zu verändern, neue Dinge daraus zu machen, die Kampf-KI zu verbessern usw. Wenn man mich lange mit etwas allein lässt, nehme ich es auseinander. Ich kann nicht anders.

Alex: Ich habe mal gelesen, dass es rund 1,5 Jahre gedauert hat Quake Nehara zu veröffentlichen. Sicherlich hat ein solch ambitioniertes Projekt viel Arbeit und Privatleben gefressen. Wie hat dein Umfeld darauf reagiert?

Jack: Wenn ich mich recht erinnere, waren diese 1,5 Jahre eher eine Phase des Herumprobierens, aber es hat in der Tat eine Menge Zeit in Anspruch genommen. Das tun meine Leidenschaften immer. Das ist ein wesentlicher Bestandteil meines Wesens, also war es keine allzu große Abweichung von meiner Norm. Diese Natur hat mein Privatleben im Laufe der Jahre oft auf den Kopf gestellt, so dass ich einem Projekt nicht wirklich die Schuld geben kann, wenn es passierte. Wenn es nicht Nehahra gewesen wäre, wäre es zu diesem Zeitpunkt etwas anderes gewesen. Es gibt immer etwas. So ist das nun mal. Das ist die Realität. Seitdem habe ich gelernt, nichts zu kultivieren, was ich nicht pflegen kann. Ich bin ein Arbeitstier durch und durch.

Alex: Du hast damals nicht alleine an dem Projekt gearbeitet. Mit dir zusammen gibt waren einige andere Entwickler am Start. Wie kam es zu der Zusammenarbeit, kanntest du deine „Kollegen“ persönlich oder übers Internet. Wie funktionierte der Austausch?

Jack: Ich wollte mehr von anderen lernen, die ebenfalls Quake modifizierten und Karten dafür erstellten, also schuf ich zu diesem Zweck Mindcrime, eine neue Abteilung von mir selbst, und begann, mich von meinen üblichen IRC-Nachbarschaften zu entfernen und besuchte Planetquake-Server und fand schließlich die ewige #terrafusion (Anm.d.Red.: Gruppe von Moddern). Von dort aus ergaben sich natürlich Beziehungen zu anderen Spieleentwicklern und Leveldesignern. Ich neige dazu, groß zu denken. Entweder ganz groß oder gar nicht. Wie in jeder anderen kreativen Gemeinschaft wirst du auch hier andere finden, die ehrgeizige Träume haben, aber nur wenige sind motiviert genug, sie auch zu verwirklichen. Um es einfach auszudrücken, ich glaube, es wurde den anderen in der Gemeinschaft klar, dass ich ein Verrückter war, und auch wenn der Umfang meiner Ideen riesig und ehrgeizig war, würde ich sie durchziehen. Ich würde die Arbeit erledigen. Die Mission zu Ende bringen. Auf Teufel komm raus. So bin ich nun mal.

Sobald ich ein paar begabte Mapper an Bord hatte, zog es andere an. Wie bei den meisten Projekten, die ich leite, ging die Zusammenstellung des Teams ziemlich schnell. Ich sorge für den Wirbelwind, lade die Leute mit ihrer eigenen Magie ein, und dann geht’s los. Das hat sich bei mir nicht geändert.

Alex: Einige der Teammitglieder sind tatsächlich später als zum Beispiel Leveldesigner in die Spiele-Branche eingestiegen und haben an namhaften Projekten gearbeitet. Hast du noch Kontakt zu einzelnen Mitgliedern des ursprünglichen Nehahra-Teams?

Jack: Ich stehe immer noch mit einigen von ihnen in Kontakt, obwohl wir alle sehr beschäftigt sind. Einige sind inzwischen in ihrer Freizeit in die Quake-Landschaft zurückgekehrt. Ehrlich gesagt, das reizt mich, und ich habe das Gefühl, dass die Zeit kommen wird, in der „Mindcrime“ wieder zum Leben erweckt wird. Wenn ich nicht so sehr mit anderen Dingen beschäftigt wäre, wäre es wahrscheinlich schon geschehen, denn ich fühle den gleichen Sog zurück in diese Tage. Als die Dinge noch Spaß machten. Reiner waren.

Alex: Wie ging es mit dir weiter? Hast du auch den Weg in die Videospielbranche gewählt oder dich eher auf den filmischen Bereich konzentriert? Was ist in der Zwischenzeit passiert?

Jack: Dass ich nicht in die Videospielbranche gegangen bin, lag nicht an mangelndem Interesse, sondern an meiner Vielzahl von Interessen und an der bereits erwähnten Idee, dass ich mich auf eine Sache konzentrieren sollte, auf etwas, das meine Identität ausmacht. Damals fühlte ich mich mehr als Geschichtenerzähler, also konzentrierte ich mich nach Nehahra nur noch auf das Schreiben. Ich habe versucht, das Bild anzunehmen, das ich von Schriftsteller hatte und habe es viel zu ernst genommen. Diese Entscheidung würde ich ändern, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte. Es war eine Anhäufung von Fehlentscheidungen, von denen die schlimmste darin bestand, mich selbst einzuschränken und die Dinge wieder in Schubladen zu stecken.

Bei Nehahra hatte ich mich nicht auf eine Disziplin beschränkt, auch wenn ich unter dem Dach von Mindcrime arbeitete. Es kamen viele Disziplinen ins Spiel, von der Programmierung über das Sounddesign, die Verwendung musikalischer Elemente, das Erzählen von Geschichten, die Schauspielerei, die Gestaltung bis hin zur Animation. Ich blicke oft auf diese Zeit zurück und trauere dem ungezügelten Geist dieser Zeit nach. Ich hatte keine Ambitionen, im Bereich der Videospiele zu arbeiten, auch wenn die Vorstellung davon cool war, wie viele andere Ideen auch. Die Tatsache, dass ich beruflich nicht in diese Tätigkeit investiert hatte, ermöglichte es mir, so frei zu sein. Das einzige Ziel, das ich hatte, war, etwas Erstaunliches zu schaffen. Etwas zu schaffen und zu schaffen. Ich wusste damals, wer ich war: der Typ, der kreative Blitze wirft und coolen Scheiß macht. Peng. Das war genug.

Ein Jahrzehnt später kehrte ich zwar nicht mehr zu den Spielen zurück, aber zum Geist jener Tage mit meiner Audioproduktion, der ich den Namen Slipgate Nine Entertainment gab. Slipgate ist natürlich eine Anspielung auf Quake, aber für mich war es eher eine Anspielung auf kreativen Freiraum der Quake-Produktionstage. Die Wahl dieses Namens war, wie die Wahl jedes Namens, auch ein Versprechen. In diesem Fall war es auch eine Erinnerung an mich selbst, die ich an einem gut sichtbaren Ort niederschrieb, um nie wieder aus den Augen zu verlieren, worum es bei diesem Geist geht: etwas Erstaunliches zu tun, es einfach anzugehen. Darin liegt die Magie.

Die Cyberpunk-Hörspielserie, für die ich vielleicht am besten bekannt bin, hat jetzt einen Titel, der auch eine unterschwellige Quake-Referenz ist: Edict Zero. Ich produziere die Serie seit einem Jahrzehnt, wenn ich Zeit habe, und zwar umsonst. Einfach, um es zu machen. Es handelt sich um ein vielschichtiges, modernes Hörspiel mit Raumklang, das für Kopfhörer konzipiert ist, wenn man in den Genuss der gesamten Hörerfahrung kommen will. Ich habe bei der Erstellung der Show mehrere Talente eingesetzt. Es ist vielleicht die perfekte Verschmelzung all meiner Disziplinen, Kenntnisse, Interessen, Geschmäcker und Lebenserfahrungen in einem. Es ist eine Menge Arbeit, aber es macht auch viel Spaß.

Was den filmischen Bereich betrifft, so ist meine Postproduktionsarbeit im akustischen Bereich viel stärker von visuellen Prinzipien und der Filmtheorie beeinflusst als von den klassischen Hörspielen. In gewissem Sinne fühle ich mich, als würde ich Kinofilme machen, nur eben mit Soundscapes und Musik.

Seit den Nehahra-Tagen habe ich ein Filmstudium absolviert. Zurzeit studiere ich Medienproduktion an der University at Buffalo (MFA). Danach ist die Zukunft noch offen, aber ich gehe davon aus, dass ich mein Studium und meine Forschung fortsetzen werde.

Alex: Standed ihr damals eigentlich in Kontakt mit id Software? Wie war die Anerkennung/Rezeption für das Projekt. Gab es Feedback von Presse und/oder Szene?

Jack: Ich hatte zu der Zeit keinen Kontakt zu id Software. Die Anerkennung war zu der Zeit aber überwältigend. Es war ja auch eine große Sache. Sie war größer, als ich es mir vorgestellt hatte, und ich hätte damals nie vermutet, dass sie weiter Bestand haben würde.

Alex: Mit Nehahra hast du „die Geschichte erzählt, die Id nicht erzählt hat“. So stand es damals in den Produktionsnotizen. Wie kamst du auf die Story zu Quake Nahahra? Kam sie bei den anderen Fans gut an, immerhin bedeutet das ja auch eine Art Eingriff in den Mikrokosmos.

Jack: Die Geschichte hat sich organisch entwickelt. Ich wollte nie, dass The Seal of Nehahra so lang wird. Die verbesserte Engine, nachdem der Quellcode veröffentlicht wurde, sowie die „PauseDemo“-Funktion, die von Ender – dem leitenden Engine Programmierer – geschaffen wurde, aktivierten meine Neophilie und führten zu einem Überschwang. Sowohl der Geschichtenerzähler als auch der Kameramann in mir tobten sich mit diesem neuen Spielzeug aus. Es sei darauf hingewiesen, dass die Methoden zur Erstellung von Machinima, insbesondere mit der Quake-Engine, damals noch sehr grob waren, ebenso wie viele der Hilfsmittel für andere Dinge. Es gab keinen Postproduktionsprozess für diese Demo-Minifilme mit der verbesserten Engine, mit der wir arbeiteten.

Alex: Mit Quake Nehahra habt ihr ein ziemlich legendären Mod geschaffen. Bist du stolz auf das Projekt?

Jack: Rückblickend scheint es, dass die Demo-Filme anfangs mehr der Unterhaltung von mir und anderen Mappern während der Entwicklung dienten. Danach waren sie eher für die Quake-Community und die damit verbundenen Spielesubkulturen gedacht. Ich habe nicht an ein mögliches größeres Bild gedacht.

Youtube gab es zu dieser Zeit noch nicht. Jetzt, zwei Jahrzehnte später, kann es sich jeder ansehen. Manche haben sogar Spaß daran, auch wenn man ihr das Alter deutlich ansieht. Für die damalige Zeit und die Menschen, für die er bestimmt war, war er ziemlich cool. Es ist interessant, die Kritiken aus der Sicht der 2020er Jahre zu lesen, denn ich kann beide Seiten der Argumente nachvollziehen. Meine Entwicklungskurve ist steil, und The Seal of Nehahra liegt schon sehr, sehr lange zurück.

Was die Resonanz angeht, so ist es wie mit allem anderen. Einige Leute liebten es. Einige hassten es. So ist das nun mal. Das ist auch der Grund, warum es für Künstler wichtig ist, in erster Linie etwas für sich selbst zu machen, denn außerhalb von einem selbst wird es nie für jeden sein. Diejenigen, die es mögen, sind ein Bonus. Diejenigen, die es nicht mögen, werden nicht mit vorgehaltener Waffe festgehalten und können sich anderen Dingen im Abgrund des Internets zuwenden, die ihnen besser gefallen. Das ist jedenfalls meine Einstellung dazu.

Alex: Früher war die Gamer-Szene viel geschlossener und wahrscheinlich auch etwas elitärer. Heute ist das anders und mehr Mainstream. Es gibt jetzt eine Reihe von Privatschulen, an denen man sich offiziell zum Spieleentwickler ausbilden lassen kann. Ist da auch einiges vom ursprünglichen Spirit abhanden gekommen? Damals wart ihr wahrscheinlich Pioniere.

Jack: Über den sozialen Zustand der Gemeinschaft kann ich nicht viel sagen. Ich glaube, sozial ist eines der letzten Worte, mit denen mich die Leute beschreiben würden, es sei denn, es geht um Arbeit oder Ziele. Was die Vergangenheit betrifft, so kann ich mich nicht daran erinnern, dass sie besonders geschlossen oder elitär war. Sie hatte eine bessere soziale Dynamik als andere Gemeinschaften, mit denen ich später in Berührung kam, aber das war auch meine Sichtweise aus dem tiefen Inneren der Szene. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mich als Neuling jemals fremd gefühlt habe, aber ich kam ja auch mit ein paar auffälligen Kaninchen in meinem Zaubererhut hinzu. Es fällt mir schwer, diese Frage vernünftig zu beantworten.

Alex: Wie bewertest du die Entwicklung der Computerspiel-Branche allgemein. Was hältst du von der Entwicklung der First-Person-Shooter insbesondere?

Jack: Eine Zeit lang sah ich, dass die meisten meiner Vorhersagen über die unverhältnismäßige Betonung der Schönheit und des grafischen Glanzes eines Spiels, während anderen Elementen weniger Aufmerksamkeit geschenkt wurde, eintrafen. Jetzt kann ich das nicht mehr sagen, da ich nicht oft Spiele spiele. Anscheinend spiele ich Spiele nur, wenn ich etwas entwickle, Fehler behebe und sie teste. Dieser Sei-Produktiv-Dämon in meinem Kopf aus den alten Tagen ist noch am Leben. Das hört sich für Gamer wahrscheinlich schrecklich an, aber dieser Aspekt meiner Persönlichkeit erstreckt sich auf so ziemlich alle Dinge.

Alex: Erst kürzlich gab es ein Remaster von Quake 1. Es brachte das klassische Spiel auf moderne Plattformen und fügte einige neue Funktionen hinzu, so dass moderne Spieler das alte Spiel wieder erleben können. Es wird sicher nicht mehr lange dauern, bis es auch ein Quake 2-Remaster geben wird. Doch während Doom und Wolfenstein in den letzten Jahren ordentlich gepusht wurden, ist Quake etwas steifmütterlich behandelt worden.

Denkst du, es ist Zeit für einen Quake-Reboot à la Doom (2016). Und was würdest du dir dafür wünschen?

Jack: Was ein Reboot angeht, denke ich, dass es cool sein könnte, wenn es richtig gemacht wird, und das heißt, dem ursprünglichen Gefühl, der Stimmung, den Themen und den Bösewichten treu zu bleiben. Das Original war ein Kind, das aus dem Produktionschaos hervorging, so wie ich es verstehe, und obwohl es nicht das Spiel war, das id sich vorgestellt hatte, hat es funktioniert. Aus diesem Chaos ist eine erstaunliche Perle entstanden, die man bei der Fortsetzung der Serie mehr hätte würdigen, mehr studieren, mehr berücksichtigen sollen. Ich hoffe, dass derjenige, der die Aufgabe übernehmen wird, dies in diesem Sinne tun wird.

Alex: Vielen Dank für dieses Interview und dafür, dass du deine Erfahrungen und deinen Werdegang mit uns geteilt hast. Der Pioniergeist eines solchen Projekts sollte auch heute noch ein Beispiel dafür sein, wie man seine Träume verwirklichen und was man mit genügend Ehrgeiz erreichen kann.


Hier findet ihr mehr zu Quake Nehahra:

Quake Nehahra Project: Erinnerung an einen legendären Mod

Mehr zu Quake findet ihr hier:

https://www.gaming-grounds.de/quake/

Auch interessant:
Alexander Panknin
Alexander Pankninhttps://www.gaming-grounds.de/
1985 geboren. Mit Doom, Quake und SNES aufgewachsen. War selbst in der Indiegames-Szene aktiv und schreibt nun auf gaming-grounds.de über seine große Leidenschaft: Videospiele.
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