Adam Pawlowski: Die fünf Dysfunktionen eines Teams

Das Zerbrechen von Teams – sowohl im herkömmlichen Sport als auch im E-Sport – hat oft die gleichen Ursachen. Adam ‚PAWL‘ Pawlowski erklärt euch, an welchen fünf Dysfunktionen Teams besonders oft scheitern und welche Maßnahmen und Faktoren genau dagegen helfen.


Wir haben uns bereits mit der Teamuhr nach Tuckman beschäftigt. Nach diesem Modell kann sich ein Team Schritt für Schritt weiterentwickeln, bis es schlussendlich in der erstrebenswerten Phase des „Performings“ angekommen ist, also der Phase, in der es einzig und allein nur noch darum geht, Leistung und die bestmöglichen Potentiale abzurufen. Doch leider gibt es keine echte Schritt für Schritt Anleitung, die zuverlässig funktioniert.

Denn dann hätte ja jedes Team eine goldene Checkliste, die es befolgen müsste, um die nächste ESL Pro Series zu gewinnen. Die Wahrheit ist viel diffuser als das: Die Arbeit an einem Team oder mit Einzelspielern, hat nun mal sehr viel mit Menschen zu tun, und Menschen sind eben nicht deterministisch. Determinismus bedeutet eine klare Zuordnung von Aktion zu Reaktion. Wenn ich das tue, dann passiert genau das. Bei Menschen kann man nicht genau sagen, wie die Reaktion auf eine gewisse Maßnahme aussehen wird.

Hier helfen nur langanhaltende Experimente, um bestimmen zu können, welche Ideen bei welchen Verhaltensweisen helfen können. So kann es eben passieren, dass man sich ein genaues Bild des Teams in der Team-Uhr geschaffen hat, alle empfohlenen Dinge abgehakt hat, das Team aber immer noch keine entsprechende Leistung abrufen kann. Ich möchte in diesem Beitrag einige Ideen nennen, die zu Fehlschlägen im Team führen können und wie dieser Knoten gelöst werden kann. Ich bediene mich hier der Darstellung von Patrick M. Lencioni in seinem Buch „The 5 Dysfunctions of a Team„.

Vertrauen

Eine gute Zusammenarbeit fängt immer mit Vertrauen an. Wenn das Team Ronaldo nicht vertraut, dass der Pass zu Ihm zum Tor führt, dann wird das Team Ronaldo den Ball nicht zuspielen. Wenn der Bodybuilder seinem Spotter beim Bankdrücken nicht vertraut, dass dieser im Zweifel das Gewicht abnehmen kann, dann wird der Bodybuilder nicht in der Lage sein, über sich hinauszuwachsen. Wenn in Overwatch der Tanks dem Heilern nicht zutraut, dass dieser seinen Job richtig erledigen kann, dann wird auch das zu Problemen innerhalb des Teams führen.

Wir sehen also, dass Vertrauen im Team eine große Rolle bei der Erreichung unserer Ziele spielt. Doch wie entsteht Vertrauen? Vertrauen hat meistens mit Ängsten, Sorgen und mit Loslassen und Kontrollverlust zu tun. Wenn ich den Ball jetzt zu Ronaldo spiele, was passiert, wenn er es vergeigt? Wenn der Spotter das Gewicht nicht halten kann, was passiert mit meinem Gesicht? Wenn der Heiler mich nicht heilen kann, wie kann ich dann den Punkt halten? All diese Fragen werden meist unterbewusst verarbeitet und können unausgesprochen zu Konflikten führen. Deshalb kann es durchaus helfen, über diese Themen zu sprechen und auch zuzugeben, dass euch das beschäftigt. Es ist nämlich völlig normal Dinge kontrollieren zu wollen, denn das ist menschlich.

Konflikte

Genauso wie unausgesprochene Vertrauenslücken, können auch unterdrückte konkrete Konflikte zwischen den Spielern Probleme verursachen. Diese können innerhalb des Spiels inhaltlicher Natur sein, aber auch persönlicher und privater Natur sein. Vielleicht ist ein Spieler absolut gegen die Heldenwahl des anderen Spielers, oder der eine Spieler räumt nie die Geschirrspüler im Player-House ein. Vielleicht entstehen sogar Machtkämpfe innerhalb des Teams? Konflikte treten in vielfältiger Ausführung auf und müssen immer aus allen Perspektiven betrachtet werden.

Häufig kommen hier individuelle Rahmenbedingungen zum Vorschein, die nicht allen immer sofort klar sind. Die Heldenwahl könnte daran liegen, dass sich der Spieler nicht sicher mit anderen Helden fühlt, oder aber auch kein Vertrauen in den Support bei der Wahl eines anderen Helfen hat. Das Einräumen der Spülmaschine kann hygienische Probleme oder kulturelle Differenzen zum Grund haben. Drückt euch nicht vor Konflikten, schafft Klarheit, indem ihr aktiv eine Klärung einfordert.

Selbstverpflichtung

Schon einmal von jemandem enttäuscht gewesen, weil derjenige nicht zu seinem Wort stand und verabredete Dinge nicht eingehalten worden? Vielleicht weil er oder sie sich bei einer Verabredung um 33 Minuten verspätet hat? Oder weil der Offtank den Boss-Encounter beim dritten Stack Debuff nicht abspottet, obwohl das doch ganz genau im Boss-Guide beschrieben ist? Das sind Dinge, die wir von unseren Mitmenschen und Mitspielern erwarten. Aber vielleicht wissen unsere Gegenüber gar nicht, welche Leistungen wir von ihnen erwarten? Häufig ist genau dies der Fall. Vielleicht war die Verabredung ja lediglich „gegen Nachmittag“ vereinbart oder der Offtank hatte nicht die nötige Information und wusste nicht genau über die Spielmechanik des Encounters bescheid?

Dies sind nur Beispiele, aber ähnliche Dinge gibt es zu genüge. Erwartungen, die nicht getroffen werden und auf der anderen Seite die fehlende Selbstverpflichtung zur Handlung. Hier kann Klarheit Abhilfe schaffen. Wie immer hilft es darüber zu reden und im Zweifel auch schriftlich festzuhalten. Also wird eine Konkrete Uhrzeit vereinbart, oder die Rolle des Offtanks im Encounter geklärt. Alle müssen sich im klaren sein, was genau von wem erwartet wird, nur so kann eine zuverlässiges Erwartungsmanagement und Selbstverpflichtung sicher gestellt werden.

Verantwortungsbewusstsein

Was passiert jedoch, wenn all diese Dinge angesprochen wurden, aber die Spieler trotzdem nicht richtig zusammen kommen? Hier könnte es helfen auf das Thema Verantwortung hinzuweisen. Nehmen die Spieler ihre Entwicklung ernst und übernehmen volle Verantwortung darüber? Unternimmt jeder das bestmögliche, um die für ihn oder sie besten Ergebnisse zu erbringen? Bummeln die Spieler herum und drücken sich vor notwendigen Spiel-Analysen? Spielen Sie zu viel Candy Crush zur Abwechslung? Arbeiten die Spieler konkret an ihren gesteckten Zielen?

Ein fehlendes Verantwortungsbewusstsein kann viele Gründe haben, wie zum Beispiel fehlende Zufriedenheit im Team, eine fehlende Feedback-Kultur, Motivation oder Disziplin, eine gefühlte Überforderung oder aber auch fehlende Klarheit über die Übertragung der Verantwortung. Manchmal fehlt auch lediglich ein klein wenig mehr Anerkennung und Wertschätzung. Auf jeden Fall sollte dies erkannt und angesprochen werden.

Ziele

Wann merken wir, ob ein Team funktioniert? Wie können wir das messen? Ein häufiges Problem ist, dass Teams miteinander voran kommen wollen, ohne aber ein konkretes Ziel zu verfolgen. So werden zwar Woche für Woche entsprechende scrims (Testspiele) und Wettkämpfe bestritten, es fehlen aber die richtigen Handlungsanweisungen, die dem Team dabei helfen, handfeste Resultate zu messen.

Welche Kriterien zeigen also auf, dass ein CS:GO Team besser geworden ist? Ist es das Verhältnis der verlorenen zu gewonnen Runden? Oder das Team K/D-Verhältnis (kill / death)? Egal was es ist, Dinge müssen langfristig sichtbar und messbar gemacht werden, um sich gezielt auf die Verbesserung dieser Ergebnisse zu konzentrieren. Dies erfordert sicherlich einen geschulten Blick auf möglichen Messgrößen, jedoch ist es unabdingbar sich diese Dinge klar zu machen. Also, kramt euer Excel heraus und fangt an zu analysieren!

Zusammenfassung

Wie wir sehen, können Probleme in Teams sehr vielseitiger Natur sein und ich habe mich in diesem Beitrag lediglich auf die fünf Bereiche beschränkt, die auch Patrick Lencioni in seinem Buch erwähnt. Sicherlich gibt es weitere Sichtweisen und Ansätze, aber genau diese Vielseitigkeit macht die Arbeit mit Teams spannend, da jeder Konflikt, jedes Stück Verbesserung sehr individuell und immer auf die jeweiligen Spieler zurechtgeschnitten werden muss. Häufig werden Probleme innerhalb des Teams nicht erkannt und bedarfen deshalb einen Blick eines neutralen aussenstehenden Begleiters.

Das Video: Warum E-Sport-Teams zerbrechen

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Adam Pawlowski
Adam Pawlowskihttps://www.gaming-grounds.de/
Adam 'PAWL' Pawlowski (geboren 1985) ist sozusagen ein Veteran in der Gaming-Landschaft. Nicht nur als Gamer seit 1997, sondern auch als Entwickler konnte er an beruflichen Stationen bei Größen wie Electronic Arts und Ubisoft Erfahrungen sammeln. Dort war er an der Entwicklung von bekannten Titeln wie beispielsweise "Command & Conquer: Tiberian Alliances" und "Might & Magic: Heroes" beteiligt. Seit einigen Jahren ist Adam primär als Team-Coach bei der Deutschen Telekom unterwegs und hilft Teams und Einzelpersonen dabei, unentdeckte Potentiale zu ergründen und diese auch zu verfolgen. Sein Know-How aus der Games-Branche kombiniert mit jeder Menge Coaching Expertise stellt den Fokus seiner Leidenschaft dar, die er auf YouTube, Twitch und nun auch hier auf Gaming-Grounds.de teilt.

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