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Als Kickstarter-Projekt gestartet, ist Chernobylite nun als Early Access auf Steam und GOG.com erschienen. Wir haben uns die frühe Version des neuen Horror-Titels angeschaut, der die Spieler in die verstrahlte Sperrzone von Tschernobyl (Chernobyl Exclusion Zone) führt. Ähnlich wie in der Stalker-Reihe findet man auch in Chernobylite von Entwickler The Farm 51 (World War 3, Get Even) eine düstere Version der realen Sperrzone vor, die nach dem verheerenden Reaktorunglück am 26. April 1986 eingerichtet werden musste.
1:1 Chernobyl Tour
Mittels 3D-Scan-Verfahren haben die Entwickler viele der bekannten Orte so detailliert wie möglich in das Spiel integriert. Auch wenn in der Early Access Version noch nicht die gesamte Spielwelt zu überblicken ist, kann man zum Beispiel bereits das Chernobyl Kernkraftwerk, das Duga Radar und die verlassene Geisterstadt Prypjat aufsuchen. Diese wurden zum Teil fotorealistisch nachgebildet, ist allerdings anders als das Original voll von Anomalien, Mutanten, marodierenden Plünderern und den gefährlichen Soldaten der Sicherheitstruppen (NAR).

Grundsätzlich handelt es sich bei Chernobylite um ein Survival-Game, welches in der Early Access Version bereits ein ambitioniert komplexes System aufweist. So soll man seine Basis mit Gerätschaften ausbauen können, es gibt ein Craftingsystem und ein Team-Management.
Laut Entwickler bietet die Early Access Version bereits rund 8 Stunden Spielzeit voller Survival-Action. Chernobylite wird dabei non-linear erzählt, indem die Spieler nach und nach auf Missionen gehen und dort weitere Teile der Geschichte erfahren können. Neue Spielepisoden, Orte, Charaktere und Ausrüstung sollen mittels Update nachgereicht werden. Es wurden auch verschiedene mögliche Enden angekündigt.
Die etappenweise Fertigstellung liegt laut Entwickler darin begründet, dass das Team jeweils in zeitlich begrenzten Touren in die Zone reisen muss, um die nötigen Scans zu erstellen. So erhofft man sich allerdings das Angebot an Gebäuden modular erweitern zu können. Dies führt allerdings auch dazu, dass man in Chernobylite keine Open-World geboten bekommen wird, was angesichts des sonstigen hohen Detailgrades der Levelabschnitte ein wenig schade ist.
Chernobylite Story

In der Early Access Episode übernimmt man die Kontrolle über Igor, einem Überlebenden der Katastrophe von 1986. Bei dem Unglück hat er seine geliebte Verlobte Tatyana aus den Augen verloren. Bis heute hört er ihre Stimme in seinem Kopf. Fest davon überzeugt, sie dort noch finden zu können, begibt er sich mehrfach auf gefährliche Reise in das innerste der Zone. Dort gilt es, sich nicht von den Sicherheitstruppen erwischen zu lassen, außerdem lauern neben der von Anomalien durchzogenen und verseuchten Umwelt auch noch allerlei andere Gefahren auf Igor: Es gibt wilde Tiere und Mutanten.
Das Spiel beginnt
Chernobylite beginnt mit einem fulminanten Auftakt. Darin schleicht sich der technisch begabte Igor mit zwei Kollegen an das streng bewachten AKW heran, verschafft sich über die Kanalisation Zugang zu einem der intakten Reaktorblöcke und dringt in dessen Steuerraum ein. Auf dem Weg erfährt Igor regelmäßig Rückblenden, die das Geschehen der Unglücksnacht aus dem Reaktorblock 4 zeigen. Am gigantischen Steuerpult betätigt Igor den verhängnisvollen AZ-5 Schalter (den die meisten vermutlich spätestens seit der HBO Serie Chernobyl kennen) [man kann sich von den Stimmen im Kopf auch dazu bewegen lassen, den Schalter nicht zu drücken]. Danach folgt der Weg zum Reaktorkern, hier bedient sich der Spieler an einem verstrahlten Bruchstück des Brennmaterials, welches sich zu einer neuen energiegeladenen Substanz, dem Chernobylite, verbunden hat. Hiermit versorgt er eine Portalpistole, diese öffnet die Pforte zu einer anderen Dimension. Gerade noch rechtzeitig, bevor er von einem soeben manifestierten Black Stalker getötet wird. Über vermutlich strahlende Blöcke des ungewöhnlichen Materials hinweg findet Igor einen Ausgang aus der surrealen Welt und landet mitten in der Zone. Eine radioaktive Anomalie zwingt ihn dann in einen Unterschlupf, wo er zusammen mit seinem überlebenden Begleiter eine Basis errichtet.
Chernobylite Story Trailer:
Mission nach Mission

Diese erste Passage ist wirklich sehr sehenswert, spätestens beim Basenbau wird allerdings klar, dass es sich noch um eine Early Access Version handelt. Während sich die ersten Spielminuten wirklich toll spielen ließen, wirkt das Crafting-System noch sehr unfertig. Ebenso macht sich mit dem weiteren Spielverlauf eine kleine Ernüchterung breit: Chernobylite ist kein Open-World-Game. Vielmehr blickt man von seinem Versteck aus durchs Fenster auf die Zone und wählt zwischen verschiedenen Missionen.
Hier kommt auch das Team-Management zum Tragen. In seinem Versteck kann man mehrere Teammitglieder beherbergen. Diese müssen mit Nahrung und medizinisch versorgt werden, helfen allerdings bei den täglichen Aufgaben. Das Spiel hat eine tageweise Taktung. Am Morgen beginnt das Zuweisen der Missionen. Die befreundeten Stalker (so nennen sich auch in Chernobylite die Eindringlinge in die Zone) können auf Missionen geschickt werden – wie zum Beispiel zur täglichen Vorratsbeschaffung. Der Spieler selbst kann sich ebenfalls eine Aufgabe aussuchen – in Story-Missionen begibt man sich weiter auf die Suche nach seiner vermissten Verlobten. Ist das Prozedere durch, öffnet sich erneut ein Tor in die Zwischendimension, man erhält weitere Storyfetzen in Form von Bildprojektionen und plötzlich spuckt uns der fremde Äther an den Bestimmungsort aus. Hier kann man nun seine Aufgaben erfüllen, Beute sammeln und möglichst nicht ums Leben kommen. Während man auf einer Mission ist zählt die Zeit herunter, 30 Minuten bleiben, bis ein radioaktiver Sturm alles davon fegt. Um der Situation zu entfliehen oder Feinden zu entkommen, kann die Tour mit der Portalpistole schnell beendet werden – ein rettender Sprung in die Zwischenwelt und man kommt wieder heil in sein Versteck.
Die Radioaktivität ist ein festes Bestandteil im Spiel. So sollte man aufpassen nicht zu viel Strahlung abzubekommen, hier gibt es zum Glück Essen und Medizin, die helfen können. Der Geigerzähler gehört fest zum Inventar und kann auf einen der 4 Ausrüstungsslots gelegt werden. Er kann nicht nur Strahlung erkennen sondern kann die Umgebung auch nach Gegenständen abscannen, dafür gibt er einen kugelförmigen Impuls ab und die Umrisse der Objekte werden hervorgehoben. Das Inventar stellt sich klassisch dar, es gibt eine feste Anzahl an Plätzen, hier werden aufgesammelte Objekte abgelegt mit denen dann verschiedene Aktionen möglich sind.
Zu den Gegnern zählen einerseits die ziemlich schießwütigen Soldaten, andererseits die nicht minder aggressiven Mutanten. Kleiner Tipp: Leuchtend grüne Augen sollten euch zur Vorsicht gemahnen. Da Ausrüstung ein streng limitiertes Gut in der Zone ist, sollte man sich oft genug in den Schatten begeben. In Chernobylite gehört Schleichen zu einer überlebenswichtigen Disziplin.

Fazit zur Early Access
Nach der noch recht knappen Spielzeit und beim jetzigen Entwicklungsstand kann man eigentlich noch kein wirkliches Urteil fällen. Aber: Die Präsentation und Gestaltung von Chernobylite ist wirklich gelungen. Wir finden sehr detailreiche Außenbereiche vor. Spannend ist die Integration von Filmaufnahmen in der Spielwelt – dies sieht man einerseits im Vorspann, aber in Form von Visionen – dabei werden einzelne Schnipsel ähnlich wie in Hellblade: Senua’s Sacrifice direkt in die Level projiziert.
Die Sounds sind gut, der Mix wirkt allerdings noch recht unausgewogen, die ukrainischen Stimmen tragen aber sehr zur Stimmung bei. In manch gehetzten Passagen, wenn um einen herum gerade die Welt untergeht, lenkt das Lesen der Untertitel allerdings leider etwas vom Spielgeschehen ab.
Wie bereits erwähnt hätte man sich nach der Ankündigung des Titels irgendwie gewünscht, es hätte eine freiere Spielwelt gegeben. Dass einem die aufwendig gescannte Zone nun doch häppchenweise offeriert wird, ist ziemlich schade. Hier hätte man Bereiche sicherlich auch auf Basis von Satellitenbildern rekonstruieren und somit die Welt interpolieren können. Die Abschnitte sind zudem aktuell sehr linear und wenn man nicht von Buschwänden geleitet wird, dann hält einen die hohe Strahlung oder ein Stacheldrahtzaun zurück. Allgemein kann man sich das Gesamtwerk von Chernobylite noch nicht ganz vorstellen. Die sehr gepolishte Anfangsszene verspricht viel, damit am Ende niemand enttäuscht wird, steht allerdings noch eine Menge Arbeit bevor. Erscheinen soll die Vollversion von Chernobylite letztlich Ende 2020.
Als großer Stalker-Fan und als jemand, der sich sehr für die Geschichte von Tschernobyl interessiert, habe ich mir etwas mehr von Chernobylite versprochen. Grundsätzlich hätte das Spiel viel Potenzial, zumal es einen sehr eigenen Charakter hat, aktuell darf man aber noch vorsichtig skeptisch sein. Fans sollten zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gleich auf den Kaufen-Button drücken und das Projekt lieber noch etwas reifen lassen, es ist kein S.T.A.L.K.E.R. 2. Für 24,99 Euro bekommt man aktuell woanders mehr Spiel fürs Geld.
Chernobylite Early Access Trailer
Chernobylite auf Steam:
– auf GOG.com