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Das Konzept kommt dem einen oder anderen vielleicht bekannt vor? Richtig: Das reMarkable hat diesen Ansatz schon vor einigen Jahren verfolgt. Es dürfte wohl auch der stärkste Mitbewerber des MatePad Paper sein. Doch was macht Huawei anders? Das ist relativ simpel: Es dreht das Konzept des digitalen Notizbuches weiter und ergänzt es um weitere Tablet-Funktionen wie Hintergrundbeleuchtung und Apps. Wie gut sich das neue Paper-Tablet in der Praxis schlägt, erfahrt ihr in diesem Test.
Huawei MatePad Paper – Hardware
Das Huawei MatePad Paper ist ein wirklich schmales Tablet (225,2 x 182,7 x 6,65 mm), es hat ein berührungsempfindliches 10,3 Zoll Display und ist damit ein wenig kleiner als ein DIN A4-Blatt. Der linke Bildschirmrand ist etwas breiter, um entsprechend besser gehalten werden zu können. Das Gerät hat eine Screen-to-Body-Ratio von 86,3 Prozent. Das verbaute E-Ink-Display (nur schwarz-weiß) hat eine Auflösung von 1872 x 1404 Pixel, 227 PPI. Integriert in das MatePad Paper sind 4 GB Ram, 64 GB Speicher und ein 3.625 mAh Akku. Der Hersteller verspricht Strom für 28 Tage Standby-Zeit. Geladen wird das Tablet über einen USB-C Anschluss, es bietet auch eine Schnellaufladung. So soll das Tablet nach 1,5 Stunden Ladezeit bereits wieder genug Strom für 6 Tage bieten. Mit an Bord sind WLAN und Bluetooth, so kann man sich leicht mit dem eigenen Funknetz verbinden und verschiedene Peripheriegeräte koppeln (Kopfhörer, Tastatur).
Neben Schwerkraftsensor, Hallsensor und Fingerabdrucksensor befinden sich zwei Lautsprecher im Gehäuse (Stereo-Wiedergabe) und gleich vier Mikrofone. Als Herzstück werkelt ein HUAWEI Kirin 820E Hexa-Core Prozessor mit bis zu 2,22 GHz. Für bessere Tonwiedergabe ist das MatePad Paper mit der HUAWEI Histen 7.0-Technologie ausgestattet.
Als wichtigstes Accessoires kommt das MatePad Paper mit einem Stift, dem Huawei M-Pencil (der 2. Generation). Der Stift bietet Drucksensitivität mit bis zu 4.096 Stufen und lässt sich magnetisch am Rahmen des Tablets befestigen (die Richtung spielt keine Rolle) und wird dabei automatisch vom Gerät geladen. So ist er stets einsatzbereit und man muss sich um nichts weiter kümmern. Der Stift besitzt zwar kein „Radiergummi“ auf der Rückseite, durch Tippen im Griffbereich lässt sich allerdings die Funktion umschalten. So kann man beispielsweise zwischen Stift und Radierer wechseln. Im Lieferumfang enthalten sind zwei Ersatzspitzen.
Produktbilder:
Durch die niedrige Latenz von 26 ms soll ein besonders flüssiges Schreibgefühl entstehen. Das Display ist matt und bietet eine E-Ink-Display-typische leicht raue Oberfläche. So soll das Schreiben auf dem Tablet sich noch mehr wie auf Papier anfühlen. Sichtbar ist die Struktur allerdings nicht.
Die Smart Refresh-Funktion soll eine flüssige Wiedergabe auch bei animierter Grafik bieten. In der Regel aktualisiert ein E-Ink-Bildschirm nur die Pixel, die sich verändern und behält dann deren Zustand bei. So muss nicht wie bei konventionellen Displays das Bild abhängig von der Bildwiederholrate beispielsweise 60-mal die Sekunde komplett neu aufgebaut werden. Dies kann aber auch dazu führen, dass gewisse Geisterbilder bestehen überbleiben. Dieser Vorgang wurde von Huawei mit Smart Refresh gegenüber anderen eBook Readern noch verbessert und bietet eine optimierte Wiedergabe bei gleichzeitig wenig Stromverbrauch. Das E-Ink-Display bietet generell einen besseren Kontrast als normale Displays, ist dabei besonders augenschonend und auch in vollem Sonnenlicht lesbar. So hat das MatePad Paper sogar als weltweit erstes Tablet eine TÜV Rheinland-Zertifizierung für ein papierähnliches Display erhalten.
Geliefert wird das MatePad Paper mit einer Magnethülle. Das Tablet rastet leicht in das Folio Cover ein und kann so schonend transportiert werden. Auch der Stift findet hier seinen Platz und ist vor versehentlichem Abrutschen geschützt.
Huawei MatePad Paper Produktvideo:
Huawei MatePad Paper – Software
Das Huawei MatePad Paper setzt auf das eigene Betriebssystem HarmonyOS 2. Dies ist quasi ein angepasstes Android 10, welches eine schnelle Performance für die eigene Hardware bieten soll. Nach Einschalten des Geräts erwartet uns eine App-Icon-basierte Oberfläche mit einem Dock an der rechten Bildschirmseite. Auf dem Startbildschirm sind verschiedene Widgets verankert, die individuell angepasst werden können. Zur Grundausstattung des MatePad Paper gehören Kalender, Notiz-App, eBook Reader (wer hätte das gedacht?), Taschenrechner, Browser, E-Mail-Programm, Audio-Aufnahme-App, einige Service-Apps und der Zugang zur AppGallery. Unten sieht man die typische dreiteilige Android-Navigation. Nicht alle Apps funktionieren automatisch im Querformat, allerdings lässt sich der Bildschirm eigentlich immer um 180 Grad drehen, damit das Tablet für beispielsweise Linkshänder andersherum gehalten werden kann.
Die ziemlich rudimentäre Ausstattung unterstreicht das Konzept des ablenkungsfreien Arbeitens. Man soll während der Nutzung nicht von unnötigen Benachrichtigungen gestört werden. Dies ist übrigens auch der größte Selling Point des Tablets. In einer Welt, die ständig um unsere Aufmerksamkeit buhlt, soll das MatePad Paper einen entspannten Workspace bieten, der uns auf unsere Arbeit fokussieren lässt.
Lesen
Integriert in das OS ist neben dem Reader auch ein eigener Bookstore, hier können weitere E-Books erworben werden. Natürlich lassen sich auf dem MatePad Paper auch eigene Dokumente hinterlegen. Der Grundgedanke dabei ist, sich seine Arbeit mit auf das Tablet zu holen und sie dort in Ruhe studieren zu können. Für das Arbeiten mit Text bietet das Tablet viele nützliche Funktionen. So kann man in Apps (welche die Funktion unterstützen) in den Splitscreen-Modus wechseln, lesen und dabei Notizen machen. Es lässt sich zudem zu jeder Zeit ein Screenshot erstellen, der ebenfalls mit eigenen Anmerkungen und Skizzen versehen werden kann. Man kann sogar direkt in seine Dokumente schreiben, dies wird natürlich gespeichert. Geteilt werden können Dokumente ganz einfach mit PC oder Smartphone über Huawei Share, Bluetooth, etc. .
Schreiben
Was das MatePad Paper von einem üblichen E-Book-Reader abhebt, ist natürlich das Erstellen eigener Dokumente. Dafür gibt es eine eigene Notizen-App. Diese bietet übliche Funktionen, so könnt ihr darin mit dem Stift schreiben oder Skizzen erstellen. Die Möglichkeiten sind allerdings recht limitiert. Es gibt verschiedene Stift (Füllfederhalter, Kugelschreiber, Bleistift, Textmarker) jeweils in Schwarz, Grau oder Weiß und in drei verschiedenen Stärken. Ihr könnt radieren, Inhalte ausschneiden (inklusive Copy und Paste), ein Textfeld einfügen (Bildschirmtastatur), Bilder einfügen und Audionotizen machen. Als Hintergrund stehen einige Papierarten (liniert, kariert, etc.) zur Verfügung, die auch im Nachhinein gewechselt werden können. Jedes neue Dokument kann schnell um beliebig viele Seiten erweitert werden, durch die man sich dann durchblättern kann. Dies macht die App besonders interessant für Nutzer, die in einer Besprechung, Studium und Co. mitschreiben wollen. Sinnvoll ist da auch die Audiofunktion. Ihr könnt nämlich aufnehmen und dabei Notizen schreiben. Während der Aufnahme lässt euch die App Markierungen setzen, die man an verschiedenen Stellen im Dokument platzieren kann. Diese können später bei der Wiedergabe auch als Sprungmarken genutzt werden.
Eine weitere tolle Funktion ist das Umwandeln von Handschrift in digitalen Text. Dies kann man zu jeder Zeit anwählen, um seine Notizen später weiterverarbeiten zu können. Das funktioniert in der Regel auch ganz gut. Allerdings sollte man seine Erwartungen an die Lesbarkeit seiner eigenen Handschrift angleichen. Wer gerne auch Texte aus aller Welt liest, der kann sich eine Übersetzung anzeigen lassen. Da sich Huawei natürlich mit dem Konzept des Tablets an engagierte Business-Leute richtet, wird der Datenschutz sehr groß geschrieben. Das Gerät selbst, aber auch sämtliche Notizen können verschlüsselt und vor fremden Zugriff geschützt werden.
Befindet sich der Stift in Nähe des Displays, schaltet die Toucheingabe ab, so werden versehentliche Eingaben erfolgreich vermieden. Der Handballen kann zum Schreiben also voll aufgelegt werden. Für Vielschreiber besonders interessant: mit einer gekoppelten Bluetooth-Tastatur verwandelt sich das MatePad Paper in eine digitale Schreibmaschine – mit all den stromsparenden und augenschonenden Vorteilen eines E-ink-Screens. Damit könnte es auch eine direkte Alternative für den deutlich teureren Astrohouse Freewrite beziehungsweise Freewrite Traveler sein.
Huawei AppGallery
Das MatePad Paper basiert auf Android 10, doch bereits vor ein paar Jahren hat Huawei sämtliche Google-Lizenzen aufgrund des US-Handelsembargos verloren. Seitdem muss sich der chinesische Hersteller anders behelfen. Das HarmonyOS soll eine Alternative bieten, lässt aber sämtliche beliebten Google-Services vermissen. Um eine ähnliche Bandbreite an Apps anbieten zu können, setzt Huawei auf die eigene AppGallery, welche quasi eine Kopie des Google Play Store ist. Hier gibt es also einige Apps, welche die Funktion des Geräts erweitern sollen. Ehrlich gesagt bleibt es hier nur bei einem Versuch. Das Angebot ist viel zu dünn und etliche beliebte Apps fehlen schlicht. Hier finden sich hauptsächlich eher wenig nützliche News-Apps.
Glücklicherweise lässt sich dies zumindest in Maßen umgehen. So kann man APKs installieren und das Tablet mit vielen Programmen nachrüsten. Ein Umweg ist beispielsweise über die Plattform APK Pure möglich. Diese bietet sogar einen eigenen Loader an, der dann doch ziemlich nah an die bekannte Android-Umgebung herankommt. So kann man das MatePad Paper schnell mit der Amazon Kindle App, Spotify oder Microsoft Office nachrüsten.
Praxistest
Huawei hat uns auf Nachfrage ein Testgerät zur Verfügung gestellt. So konnten wir uns einige Wochen ausführliche mit dem neuen MatePad Paper auseinandersetzen. Dabei wollten wir vor allem wissen, ob es wirklich eine Verbesserung zu den deutlich preiswerteren Android-Tablets bietet, ob es sich positiv auf unsere Produktivität auswirkt, ablenkungsfrei arbeiten zu können und natürlich, wie gut Huawei das Konzept des Papier-Tablets umgesetzt hat.
Mit dem MatePad Paper hat Huawei einen Hybriden geschaffen, der mehr bietet als ein digitales Notizbuch wie das reMarkable. Die Konkurrenz fühlt sich zwar beim Schreiben leicht überlegen an und reagiert noch ein bisschen flotter, die Hintergrundbeleuchtung vom MatePad Paper dürfte für viele Nutzer aber schon ein Kaufargument sein. Zusätzlich zu den auf Arbeit ausgelegten Funktionen kann man mit dem Huawei-Tablet zudem mediale Inhalte genießen und einige alltägliche Aufgaben übernehmen, wie E-Mails aufrufen und schnell mal im Browser etwas nachschauen. Der Sound des Geräts ist sehr anständig und auch die Tonaufnahmen hören sich überraschend gut an. Musik und Hörbücher lassen sich mit dem Tablet gut hören.
Der Stift suggeriert, dass das MatePad Paper vielleicht auch als künstlerischer Skizzenblock ideal wäre. Die vorhandene Notizen-App ist allerdings recht simpel gestrickt und nur darauf ist das Tablet optimiert. Unser Versuch, größere grafische Schwergewichte zu nutzen, hat uns eher enttäuscht. Hier zieht der Stift stark nach und die Reaktion ist sehr mäßig. Hier sollte man lieber zu einem konventionellen Tablet greifen – das hat dann immerhin auch Farbe.
Damit kommen wir auch zu einem der größten Kritikpunkte: das Display. Natürlich darf man von einem E-Ink-Bildschirm keine Wunder erwarten, doch die eigentliche Power des Tablets kommt bei der Nutzung des MatePad Paper einfach nicht ans Tageslicht. Menüs, Bedienung, Schreiben: das alles fühlt sich nicht sehr reaktionsfreudig und flüssig an. Zwar geht es dabei nur um die Darstellung, wenn man allerdings von seinem Smartphone oder anderen aktuellen Geräten kommt, dann verspürt man hier eine gewisse ungewohnte Trägheit. Zum Lesen geht das klar, immerhin kennen wir das ja auch von den üblichen E-Book-Readern, aber sobald es um schnelle Bearbeitung geht, fühlt sich das Tablet einfach langsam an.
Die Akkulaufzeit ist dank des Displays allerdings relativ gut. Zwar nuckeln WLAN, Bluetooth und Hintergrundbeleuchtung unter Umständen kontinuierlich am Akku, einen Arbeitstag bekommt man allerdings locker gestemmt. Im Verhältnis zur langen Standby-Zeit steht die aktive Nutzungsdauer aber nicht. Trotzdem ist das MatePad Paper immer einsatzbereit und kann dem Vielleser und Notizen-Jongleur als ständiger Begleiter dienen.
Fazit
Also braucht man so ein Tool nun wirklich? Nicht unbedingt. Kann es helfen, produktiver zu arbeiten? Auf jeden Fall. Zumindest, wenn ihr gerne mit einem Stift schreibt und alles an einem Platz haben möchtet. Wir hatten das MatePad Paper während der Testphase immer bei uns und es war eine bequeme Stütze für den Arbeitsalltag und kreative Schaffensprozesse. Die Möglichkeit, jederzeit Gedanken aufs „Papier“ bringen zu können – ohne Zettelwirtschaft -, hat uns sehr geholfen. Das ablenkungsfreie Konzept unterstützt seinen Nutzer dabei außerdem, fokussiert und produktiv zu bleiben.
Trotz seiner zusätzlichen Funktionen bleibt das MatePad Paper aber ein Spezialist, der eine bestimmte Arbeitsweise unterstützt und für eine bestimmte Zielgruppe so eine tolle Bereicherung sein kann. Wer allerdings einen Allrounder sucht oder sich an dem langsameren Bildschirm stört, der sollte vielleicht konventionelle Alternativen vorziehen. Immerhin schaffen es mittlerweile einige gute Android-Tablets mit ihrem Akku über den Tag. Wer sich für das MatePad Paper interessiert, sollte also genau abwägen, ob das Konzept für ihn das Richtige ist. Wenn man sich mit den Einschränkungen aber anfreunden kann, bekommt man ein praktisches Tablet für die alltägliche Papierarbeit.
MatePad Paper kaufen:
MatePad Paper Alternative: Ein weiteres spannendes Produkt ist das BOOX Note Air2 Plus. Der Hersteller hat ebenfalls langjährige Erfahrung mit E-Ink-Tablets. Das neue Note Air2 Plus hat einen ähnlichen Preis, allerdings noch ein paar spannende Funktionen in der Notizen-App. Es setzt auf Android 11. Beim BOOX kann der Google Play Store aktiviert werden. Hier geht es zum BOOX Note Air2 Plus.