Ghost of Tsushima Review: Das bessere Assassin’s Creed?

Ghost of Tsushima (GoT) ist seit Freitag dem 17. Juli 2020 auf PS4 spielbar und interessierte Spieler fragen sich, was sie von dem Samurai-Adventure erwarten dürfen. Um diese Frage spoilerfrei zu beantworten, prüfen wir Stück für Stück die These, dass das jüngste Kind von Sucker Punch das ist, was sich viele Assassin’s Creed (AC) Fans von Ubisoft gewünscht haben, bis jetzt aber nicht bekamen.

Die Verkaufszahlen sprechen indes für sich, nach nur drei Tagen verkaufte sich der neue PS4-Exklusivtitel unglaubliche 2,4 Millionen mal und schaffte es auf Platz 1 der deutschen PS4-Games-Charts.

Kublai Khans Mongoleninvasionen auf Japan

Die geschichtlichen Hintergründe

Ghost of Tsushima spielt im feudalen Japan und thematisiert die Mongoleninvasionen. Nachdem Dschingis Khan die mongolischen Stämme vereinte, eroberte er während seiner Amtszeit als erster Großkhan (1206 bis 1227) weite Teile Zentralasiens. Khan erließ zur Verwaltung des Reiches eine Schrift, mit der er verbindliche Gesetze durchsetzte.

Nachdem Dschingis Khan starb, leiteten dessen Söhne und ihre Familien – Tschagatai, Ögedei, Tolui und die Nachkommen des verstorbenen Dschötschi – das Reich, welches er zuvor unter ihnen aufteilte. Zum Großkhan, Herrscher aller Mongolen, ernannte er seinen zweitjüngsten Sohn Ögedei. Gemeinsam vergrößerten sie das Reich, das zum Zeitpunkt Dschingis Khans Todes mit 19 Millionen Quadratkilometern die doppelte Größe des heutigen Chinas aufwies.

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Zwischen den Mongolen und Japan herrscht ein erbitterter Krieg.

Um den Bezug zu Ghost of Tsushima wiederzufinden, blicken wir auf Kublai Khan, Enkel des Dschingis und Sohn des Tolui. Er war von 1260 bis 1294 ein bedeutender mongolischer Herrscher und seit 1271 außerdem Kaiser von China. Nachdem er seine Macht dort festigte, erstrebte Kublai Khan die Ausweitung seines Einflussgebietes auf Japan. Hierzu entsandte er Botschafter, welche das Shōgunat ohne Antwort zurückschickte. Da die zahlreichen Gesandtschaften ergebnislos blieben, machte sich 1274 ein Expeditionsheer auf. Dies wird die erste Mongoleninvasion auf Japan genannt. Die Invasoren waren den Japanern dabei zahlenmäßig und militärisch überlegen, doch zog während der Nachtruhe ein schwerer Sturm auf, welcher schätzungsweise ein Drittel der Schiffe versenkte und die Invasoren zum Rückzug bewegte. Die Japaner interpretierten den Sturm als Kamikaze (göttlichen Wind). Im Jahr 1281 folgte nach dem ersten erfolglosen Versuch 1274 die zweite Mongoleninvasion Japans. Bei jenem zweiten Angriff erwiesen sich die Streitkräfte Japans als, im Vergleich zur ersten Schlacht, deutlich besser vorbereitet. Sie hielten 53 Tage ihre Linien, ehe die Angreifer erneut infolge eines Taifuns und den damit verbundenen hohen Verlusten erneut ihren Rückzug antreten mussten.

Obwohl die Invasionsversuche insgesamt erfolglos blieben, nahmen die mongolischen Streitkräfte in beiden Anläufen schnell die Inseln Iki und Tsushima ein. Letztgenannte ist der Namensgebende Ort des Geschehens in Ghost of Tsushima. Dort trifft der Spieler auf Khotun Khan, Anführer der mongolischen Streitkräfte, welcher sich selbst als (fiktiven) Cousin des herrschenden Kublai Khans und Enkel des Dschingis Khans vorstellt.

Ghost of Tsushima – Worum geht es?

Der Spieler trifft als Jin Sakai, Samurai und Erbe des Sakai Klans, auf den mongolischen Heeresführer Khotun Khan und dessen schier unbezwingbare und äußerst brutale Streitkraft. Der gerissene Kriegsheer, dem lediglich 80 Samurai entgegentreten, spricht nicht nur die Sprache der Samurai, er kennt auch dessen Kultur und ihr Ehrgefühl. Dieses Wissen macht er sich zu nutze, um Tsushima einzunehmen, seine Truppen anschließend auf den Feldzug aufs japanische Festland vorzubereiten und die Samurai zu besiegen. Jin ist fortan gezwungen den Weg der Samurai zu verlassen, seinen Horizont zu erweitern, sich vorzubereiten, die brutalen mongolischen Invasoren zu vertreiben und Khotun Khan mit allen Mitteln zu stürzen. Für dieses Ziel wird Jin zum Geist.

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So schön gab es das feudale Japan bislang nicht in einem Spiel zu sehen.

Malerische Darstellung der Kamakura-Zeit

Zugegeben, grafisch unterscheidet sich GoT von Ubisofts jüngstem Ableger der AC-Reihe (Odyssey) nicht beachtlich. Es kann durchaus mit dem Großteil der jüngeren Konsolentitel mithalten, doch wiesen ihn Red Dead Redemption 2, The Last of Us Part 2 und Death Stranding in die Schranken. Dies fällt insbesondere bei den Videosequenzen ins Auge. Trotzdem weiß Ghost of Tsushima außerhalb der Cutscenes optisch zu überzeugen.

Was GoT nämlich deutlich besser macht, als beispielsweise Konkurrent Odyssey, ist die Inszenierung. Die Grafik kommt durch den wegweisenden Wind, das von den Bäumen fallende Laub und das Durchbrechen der Sonne durch dichte Wolken und Baumkronen viel besser zur Geltung. Hierbei spielt das Licht und dessen Spiegelung eine sehr große Rolle. Besonders die satten Farben der Natur erzeugen Bilder und Momente, die einfach schön sind. Felder voller Pampasgras, Rot-Ahorn Wälder und tausende von Spinnenlilien animieren dazu, den Fotomodus ausgiebig zu testen oder die Landschaft zu genießen. Jeder Ast, jedes Gras, jedes Kleidungsstück und jede Blume die sich synchron im Wind bewegt, trägt zum gelungenen Gesamtbild der Inszenierung bei. Als Spieler fühlt man sich, trotz des tobenden Krieges, in dieser malerischen Landschaft wohl. Den Ausdruck „Malerisch“ finden wir deshalb passend, weil insbesondere das Pampasgras manchmal aussieht, wie bei einem alten japanischen Gemälde. Dies machte zugleich die Schwächen der grafischen Leistung geringfügig wett, da der Gedanke aufkommt, dass jenes Bild einer alten japanischen Malerei beabsichtigt wäre.

Das visuelle Schauspiel des Open-World-Action-Adventures wird auditiv von den Klängen (der Natur) unterstützt und verstärkt. Zu diesen zählen neben dem Wind und dem Rascheln der Blätter auch Wetterereignisse, im Hintergrund einsetzende Musik und Vogelgesänge.

Wie spielt sich GoT?

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Die Reise entführt Jin an wunderschöne Schauplätze.

Die unterhaltsame Schwertkampfkunst

Das wohl wichtigste Element GoTs in den Augen vieler Spieler ist die Kampfmechanik. Sucker Punchs begnadeter Schwertkämpfer Jin verfügt, anders als seine mongolischen Widersacher, nicht über Äxte, Schilde, verschiedene Schwerttypen oder Speere. Er ist ein Meister des Katanas. Und das macht Spaß.

Im Verlauf des Spiels erlernt ihr neue Techniken und Kampfhaltungen, um den verschiedenen Gegnertypen optimal zu begegnen. Das Nutzen jener Techniken weiß zu überzeugen. Je nach eingestelltem Schwierigkeitsgrad muss der Spieler geduldig auf den Angriff seines Gegners warten, ausweichen oder parieren und kontern. Schnelle Schlagabfolgen, mit denen die Deckung der Gegner durchbrochen werden kann, erweisen sich ebenfalls als möglich und unterhaltsam. Diese Angriffe sind durch schnelle Schnitte, starke Hiebe und blutige Stiche in Szene gesetzt. Die Inszenierung der Angriffe wirkt insgesamt gelungen. Dazu kommt, dass die flüssigen Kämpfe, wie eingangs erwähnt, einfach Spaß machen. Verstärkt wird diese Gefühl durch den früh im Spiel erhaltenen Kurzbogen. Bei bzw. durch diesen fielen uns gewisse Details der Spielmechanik erst ins Auge. So kann ein Horn, mit welchem ein Mongole gerade Verstärkung ruft, durchaus dessen Leben retten, wenn der Pfeil statt seinem Gesicht jenes Horn trifft. Selbes Szenario entsteht, wenn der Gegner einen das Gesicht verdeckenden Helm oder eine stählerne Maske trägt. Demzufolge sind präzise Schüsse beispielsweise in den Hals erforderlich. Uns beeindruckt ein solches Detail.

Neben den Kämpfen verfügt Ghost of Tsushimas Open-World über interessante Nebenbeschäftigungen. Diese stellen eine gelungene Abwechslung zu intensiven Duellen und spannenden Storymissionen dar und eignen sich hervorragend um den Puls etwas herunterzufahren. Dies gelingt unter anderem durch Jump and Run Parts á la Uncharted oder Tomb Raider, welche euch an Schluchten und Abgründen entlang zu tollen Aussichten führen und die halbe Insel überblicken lassen.

Ganz besonders lobenswert finden wir das neue, kreative und innovative Navigationssystem. Der Bildschirm und somit die Sicht auf die erwähnt schön inszenierte Natur werden nicht durch eine Minimap oder ähnliches gestört. Der Spieler kann völlig uneingeschränkt in die Atmosphäre und die visuellen Kostbarkeiten Tsushimas eintauchen und sich wortwörtlich vom Wind leiten lassen.

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Ein herrlicher Sonnenuntergang. Hier ist auch wieder der Wind zu sehen, wie er an Jins Umhang zerrt.

Nicht außer Acht zu lassen sei die Qualität der Missionen. Ganz besonders gefällt uns die Tiefe der Nebenmissionen. Vorab sei gesagt, dass die Hauptstory zum weiterspielen animiert und insbesondere das Ende für den ein oder anderen Gänsehautmoment sorgen kann. Was uns allerdings positiv überraschte, war die teilweise aufkommende Neugier, wenn man in einer neunteiligen Nebengeschichte voranschreitet und unbedingt sehen möchte, wie diese ausgeht. In vielen Open-World-Games wirken die Nebenquest lieblos und dienen lediglich als Lückenfüller. Sie werden von den Spielern meist eher als Möglichkeit des schnellen „Levelns“, einfach erreichbaren Loot oder Abkürzung zu stärkeren Waffen gesehen.

Am Negativbeispiel Assassin’s Creed Odyssey machen wir fest, wie lieblos und schlecht synchronisiert ein unwichtiger NPC einen langweiligen Auftrag in Dialogen übermitteln kann, auf welche der Spieler antworten muss, obwohl er diesen lieber überspringen würde. Apropos Synchronisation und Dialoge: Diese wirken in GoT tatsächlich wie von Menschen gesprochen. Das ist, wie eben am Beispiel verdeutlicht wurde, nicht selbstverständlich. In Odyssey wechselten wir, auf der Suche nach Qualität, zwischen den Sprachen hin und her und brachen das Spiel letztendlich ab. Mein Questgeber sollte nicht sprechen wie ein Navigationsgerät oder Siri. In Ghost of Tsushima sind die Gespräche genauso stimmig und flüssig wie die Kämpfe. Dies ist übrigens in Deutsch, Englisch und sogar Japanisch der Fall. Wir testeten sie alle und waren durchgehend zufrieden. Japanisch stach logischerweise als besonders passend und stilvoll hervor. Wir spielten den Großteil des Spiels letztendlich auf Englisch, da wir uns bei der japanischen Fassung zu sehr auf die Untertitel fixierten und die visuelle Inszenierung der Cutscenes, die damit verbundene Atmosphäre und die gelungenen Dialoge weniger genießen konnten. Da sich jedoch alle Synchronisationen als qualitativ hochwertig erwiesen, können Spieler der eigenen Präferenz nach entscheiden, mit welcher Sprache sie fortfahren. Diese kann zusätzlich beliebig oft zu jeder Phase des Spiels in den Optionen mittels Neustart geändert werden.

Ghost of Tsushima Launch-Trailer:

Das größte Manko des knapp 48 GB großen Spiels ist, dass die Konsole bzw. dessen Lüftung während des Spielens furchtbar laut wird. Wir spielten GoT auf der normalen PS4, welche in unserem Fall ca. sechs Jahre alt ist, und testeten es zusätzlich auf einer gereinigten PS4 Pro. Ein Unterschied der Lautstärke war nahezu nicht feststellbar. Zusätzlich gibt es im Spiel einige Bugs und Ungereimtheiten, die allerdings keinen merklichen Nachteil mit sich brachten, weshalb wir keinen explizit benennen können.
Dies liegt unter anderem an den phänomenalen Ladezeiten. Ja, wir erfreuen uns gerade tatsächlich an Ladezeiten. Die sind in Ghost of Tsushima tatsächlich so kurz, dass der Gedanke aufkommt, dass manche Ladesequenzen künstlich verlängert wurden, damit der Spieler den eingeblendeten Tipp lesen kann. Und selbst dafür sind sie teilweise, selbst auf der standard PS4, zu kurz. Wir stellten bei Schnellreisen, Toden oder Respawns eine durchschnittliche Ladezeit von drei (!) Sekunden fest. Wenn das Spiel sich entscheidet dem Spieler einen Tipp zu geben, dann dauert dies zwischen 25 und 35 Sekunden. Das ist prozentual zwar deutlich länger, doch verglichen mit anderen Titeln immer noch kurz.

Fazit: Wir bereuen den Kauf nicht!

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Nur mit viel Geschick und starkem Kampfgeist kann es Jin bis zur Legende bringen.

Klare Kaufempfehlung für AC-Fans und Bewunderer des Feudalen Japans

Wir empfehlen Ghost of Tsushima auf jeden Fall jedem Spieler, der gerne Assassin’s Creed spielt oder eine Affinität für das feudale Japan des späten 13. Jahrhunderts besitzt. Aber wieso vergleichen wir Ghost of Tsushima ständig mit Ubisofts Assassin’s Creed (Odyssey), wenn es nicht einmal von dem selben Entwickler ist? Die Antwort: Es besitzt viele ähnliche Elemente. Wir spielen eine fiktive Geschichte, welche sich in einem tatsächlich historischen Kontext ansiedelt. Jin ist athletisch und steht einem Assassinen bezüglich seiner Kletterkünste in nichts nach. Wir können neben dem frontalen Schwertkampf Gegner auch lautlos (Stealth) ausschalten und sogar auf Hilfsmittel zurückgreifen, die es in ähnlicher Form in der AC-Reihe gibt. Vergleichsweise finden wir gut, dass Sucker Punch auf eine „Level“ Mechanik verzichtet. Als Spieler merkt man zwar deutlich, wenn ein Gegner oder ein Lager noch zu stark ist, doch braucht der Spieler kein Level 12 Schwert um einen Level 12 Gegner besiegen zu können. Über ein solches System verfügt GoT nicht. Dies ist, zusätzlich von der Qualität der Dialoge, der Missionen, der Story und dem lautlosen Kampf – welcher in AC zuletzt immer nebensächlicher wurde – ein Faktor, den Assassin’s Creed Fans zuletzt bei Odyssey bemängelten. Da Ghost of Tsushima all diese Faktoren aufgriff und Sucker Punch sie, unserer Meinung nach, gut umsetzte, ist es nicht nur eine gelungene Abwechslung sondern auch eine gelungene Alternative zu Assassin’s Creed. Wir wiederholen uns und sprechen eine klare Kaufempfehlung für AC-Fans und Bewunderer des feudalen Japans aus!

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Dariusz Müller
Dariusz Müllerhttps://www.gaming-grounds.de/
Dariusz Müller ist frei schreibender Journalist, E-Sport begeistert, leidenschaftlicher Gamer und seit Februar 2020 als Gastautor bei Gaming-Grounds.de aktiv. Das Schreiben bei GG hilft dem jungen Autor Erfahrungen in der Branche zu sammeln und Reputation zu gewinnen, Feedback zu erhalten und den eigenen Weg zu ebnen. Des Weiteren verfolgt er das Ziel, mittels sportjournalistischer Artikel über den E-Sport und dessen Events, dabei zu helfen, dass jener Sport zukünftig von der breiten Masse als solcher anerkannt und akzeptiert wird. Zusätzlich ist Dariusz als Taktik-Coach in dem E-Sport Titel Rainbow Six Siege tätig.
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