Das weltberühmte Entwicklerstudio Blizzard Entertainment kommt einfach nicht zur Ruhe. Insbesondere das Jahr 2021 lässt Schlagzeile um Schlagzeile rund um den von Krisen gebeutelten Entwickler und Publisher entstehen. Doch auch davor gelang es Blizzard bereits in den vergangenen Jahren immer wieder kräftig am eigenen Image zu rütteln. Drei Stichworte, um eure Erinnerungen an die etwas älteren Themen zu wecken: Diablo Immortal Ankündigung, Sperre für Hearthstone-Profi ‚blitzchung‘ nach politischem Statement, Warcraft 3 Reforged.
Doch auf die inhaltlichen Gaus baute das Studio immer weiter auf. Vorwürfe in Bezug auf Sexismus, sexuelle Belästigung, Ungleichbehandlung und weitere damit in Verbindung stehende Handlungen im Unternehmen führten zuletzt zu einer großen Klage des „Department of Fair Employment and Housing“ in Kalifornien. Auch zahlreiche personelle Wechsel, Abtritte und Kündigungen folgten. So verließ unter anderem der langjährige Blizzard Chef J. Allen Brack das Unternehmen.
Nachdem dann auch noch Ende Oktober 2021 die nächste BlizzCon beziehungsweise BlizzConline ersatzlos gestrichen wurde, dachte man, es könnte kaum noch schlimmer kommen. Doch weit gefehlt.
Finanzbericht offenbart neue Untiefen
Am gestrigen Dienstag, 2. November 2021 veröffentlichten Activision und Blizzard die Ergebnisse des dritten Quartals. Neben diversen Informationen für Investoren und Insider gab es auch ein Update für die eigene „Pipeline“ der kommenden Games-Projekte. Darunter Call of Duty, Diablo, Overwatch, WoW und Candy Crush.
Im Fokus der Aussagen stehen aber ganz klar die beiden mit Spannung erwarteten Projekte Overwatch 2 und Diablo 4. Beide Spiele sollen nun später veröffentlicht werden, als ursprünglich geplant, heißt es in dem Finanzbericht auf Seite 6. Demnach habe man in der Arbeit mit der neuen Blizzard-Führung als auch innerhalb der einzelnen Franchise festgestellt, dass der für kommendes Jahr geplante Content von Blizzard von weiterer Entwicklungszeit profitieren würde, um das „volle Potenzial“ zu erreichen. Insbesondere einige kreative Faktoren stünden hier im Mittelpunkt.
Diese beiden Spiele seien, so die Verantwortlichen, zwei der meist erwarteten Spiele der gesamten Industrie. Die Teams hätten in den vergangenen Quartalen bereits große Schritte in Richtung der Fertigstellung gemacht, könnten die zusätzliche Zeit aber gut nutzen. Auch, um den Support der Spiele für die Zeit nach dem Launch zu gewährleisten – bis viele Jahre in die Zukunft. Man sei zuversichtlich, dass dies die richtige Entscheidung für die Mitarbeitenden, Spielenden und den langfristigen Erfolg der Franchises sei.
Ob die Spiele überhaupt noch 2022 erscheinen werden, bleibt indes unklar. Umso klarer ist dafür, dass die Fans und Communitys von Diablo und Overwatch noch sehr lange auf die Nachfolger der derzeitigen Spiele warten müssen. So richtig „greifbar“ scheinen weder Diablo 4 noch Overwatch 2 zu sein. Immerhin gewährt dies Blizzard die Chance, das bisher oft als „Update für Overwatch“ empfundene Shooter-Projekt zu einem wirklich eigenständigen und vollwertigen Nachfolger auszuarbeiten.
Ob jedoch eine Verschiebung von Diablo 4 wirklich die richtige Entscheidung ist, kann derzeit wohl niemand sagen. Jedenfalls wird die Konkurrenz im Genre der Hack’n’Slay / Hack’n’Slash / Action-RPG Highlights immer größer und dichter. Man denke nur etwa an das große Path of Exile 2, welches derzeit mit Hochtouren auf den Launch vorbereitet wird. Auch ein gewisses Riot Games hat noch ein vergleichsweise geheimes Projekt in diesem Genre in der Pipeline und könnte, sollte sich Blizzard tatsächlich bis 2023 Zeit lassen, um Diablo 4 zu veröffentlichen, sogar schneller verfügbar sein.
Neue Führung bereits wieder auf dem Absprung
Während die Community noch die neueste Verschiebung verarbeitet, geht die Flut an Ereignissen bei Blizzard Entertainment direkt weiter. Denn ebenfalls am gestrigen Dienstagabend, nur ganz leicht zeitversetzt, gab Blizzard Co-Leader Jen Oneal bekannt, das Unternehmen verlassen zu wollen.
Oneal hatte nach dem Abgang von J. Allen Brack gemeinsam mit Mike Ybarra das Ruder an der Spitze von Blizzard übernommen. Die beiden Köpfe sollten gemeinsam dafür sorgen, dass es wieder etwas in die richtige Richtung geht. Doch lange scheint die Motivation dafür, zumindest bei Oneal, nicht gehalten zu haben.
Sie äußert sich in einem offiziellen Statement auf der Blizzard-Homepage wie folgt:
„Ich möchte, dass ihr von mir persönlich erfahrt, dass ich die Entscheidung getroffen habe, mich von der Co-Leitung von Blizzard Entertainment zurückzuziehen und in eine neue Position zu wechseln, bevor ich ABK [Anm. d. Red.: „Activision, Blizzard & King“] am Ende des Jahres verlasse. Mit sofortiger Wirkung wird Mike Ybarra die Leitung von Blizzard übernehmen. Ich tue dies nicht, weil ich keine Hoffnung für Blizzard habe, ganz im Gegenteil – ich bin inspiriert von der Leidenschaft aller hier, die sich mit ganzem Herzen für sinnvolle, dauerhafte Veränderungen einsetzen. Diese Energie hat mich dazu inspiriert, einen Schritt weiterzugehen und zu erforschen, wie ich mehr dazu beitragen kann, dass sich Spiele und Vielfalt überschneiden und hoffentlich einen breiteren Einfluss auf die Branche haben, der auch Blizzard (und anderen Studios) zugute kommt. Ich bin mir zwar noch nicht ganz sicher, in welcher Form das geschehen wird, aber ich freue mich darauf, mich auf eine neue Reise zu begeben, um es herauszufinden.“
Sie habe sich in den vergangenen Monaten gemeinsam mit Ybarra und allen anderen Mitarbeitenden bei Blizzard daran gearbeitet, dass die Arbeitsplätze im Unternehmen „wirklich inklusiv, sicher und einladend für alle sind“. Doch ihre Gedanken schweiften immer wieder um die Frage, was sie als Einzelne tun könne, um eine möglichst sinnvolle Änderung herbeizuführen.
Gemeinsam mit der ABK-Führung habe sie nun einen Plan ausgearbeitet, der sie bei diesem Vorhaben unterstützt. Demnach habe die Führungsabteilung zugestimmt, einen Zuschuss in Höhe von 1 Million US-Dollar an Women in Games International zu leisten. Dabei handelt es sich um eine gemeinnützige Organisation, bei der Oneal Vorstandsmitglied ist und die sich für Gleichberechtigung und Vielfalt in der globalen Spieleindustrie einsetzt. Dieses Geld werde zur Finanzierung von Qualifizierungs- und Mentorenprogrammen verwendet, erklärt sie.
Oneal erläutert außerdem:
„Mike hat mich während meines gesamten Entscheidungsprozesses zu diesem Schritt unglaublich unterstützt und ich habe volles Vertrauen in ihn als Leiter von Blizzard. Mike und ich haben gemeinsam viele der Maßnahmen entwickelt, die wir ergreifen werden, um Blizzard zu einem sichereren, stärkeren und integrativeren Arbeitsplatz zu machen, und ich weiß, dass er plant, einige dieser Maßnahmen bald mit euch zu teilen.“